Das digitale Assistenzsystem SmartKai soll dafür sorgen, dass durch das Manövrieren in engen Hafenbecken verursachte Schäden der Vergangenheit angehören. Hafenseitig installierte Lidarsensoren sammeln dazu Schiffspositionsdaten, die dann mit Hilfe der Software RTMaps für das Schiffspersonal aufbereitet werden.
SmartKai ist ein anwendungsorientiertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt gemäß der Förderrichtlinie „Innovative Hafentechnologien“ (IHATEC) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), bei dem mehrere Partner zusammenarbeiten:
- Niedersachsen Ports GmbH und Co.KG (NPorts) – größter Hafenbetreiber Deutschlands und Verbundkoordinator des SmartKai-Projektes. NPorts stellt seine Hafeninfrastruktur für die Entwicklung von SmartKai zur Verfügung. Besonders Kaianlagen und Schleusen mit erhöhtem Unfallrisiko stellen gute Anwendungsfelder dar.
- SICK AG – entwickelt für das Projekt einen neuen, robusteren Lidarsensor speziell für die maritime Umgebung. Der Sensor arbeitet mit einer angepassten Lichtwellenlänge mit höherer Reichweite.
- Humatects GmbH – entwickelt die Benutzerschnittstelle von SmartKai, damit das Schiffspersonal die Navigationsinformationen einfach per Tablet, Augmented-Reality-Brille oder Projektionen visualisieren kann.
- OFFIS – Informatikinstitut, an dem das hafenseitige Lidarsensorsystem zur Erfassung der Schiffspositionen entwickelt wird.
- eMIR (eMaritime Integrated Reference Platform) – Entwicklungsplattform für maritime Anwendungen.
Bei Autos sind Parkassistenten bereits länger bekannt. Etwas Ähnliches soll nun bald auch für Schiffe existieren. Denn das Manövrieren in engen Hafenbecken kann schwierig sein, unter anderem wegen ungünstiger Strömungen, widrigen Wetters, immer größeren Schiffen, wachsenden Schiffsverkehrs und engeren Zeitplänen. In der Folge ereignen sich immer wieder Unfälle mit Sachschäden an Schiffen und Hafenanlagen und manchmal auch mit Personenschäden. Dies zu verhindern, ist das Ziel des Projekts SmartKai.
Lidarsensoren im Hafen erkennen Schiffe
Bei SmartKai handelt es sich um eine „Ein- und Ausparkhilfe“ für Schiffe. SmartKai ermittelt mit Hilfe von mehreren hafenseitig montierten Lidarsensoren die Positionen von an- und ablegenden Schiffen und übermittelt diese Daten in aufbereiteter Form an das Schiffspersonal und die Lotsen. An Bord wird dann lediglich ein Tablet benötigt, die sogenannte Portable Pilot Unit (PPU), um sich ein genaues Lagebild zu machen und so das Schiff sicher zu manövrieren. Darüber hinaus macht SmartKai es möglich, Verursacher von Unfällen zu ermitteln. Ein weiterer Pluspunkt des Systems ist, dass für seine Nutzung keine aufwendigen und kostspieligen Einbauten an Bord notwendig sind, denn die Sensor- und Rechnertechnik ist fest im Hafen installiert.
Erster Prototyp in Wilhelmshaven
Um das System im ersten Schritt zunächst ohne störende Einflüsse zu testen, wurde es in Wilhelmshaven am Hannoverkai bei Niedersachsen Ports (NPorts) installiert, einem nahezu geschlossenen Hafenbereich fast ohne Strömungen oder Tide (Abbildung 1). Die Basis von SmartKai bilden hierbei drei 2D-Lidarsensoren vom Projektpartner SICK. Zusätzlich sind Umweltsensoren (für Winddaten und Sichtweite) und ein AIS-Receiver (Automatic Identification System – ein international standardisiertes Funksystem für den Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten) verbaut. Außerdem wurden zwei Kameras an strategischen Stellen am Kai zur optischen Überwachung des Anlegeplatzes installiert. Alle Sensoren sind an zwei Industrial PCs (IPCs) angeschlossen, die sich in mobilen Boxen am Kai befinden. Hier werden die Messwerte der Sensoren gesammelt, gespeichert und verarbeitet.
Verarbeitung der Messwerte mit RTMaps
Für ein sicherheits- und zeitkritisches System wie SmartKai sind Zuverlässigkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit entscheidend. Die spezifische Herausforderung besteht darin, die gesammelten Messwerte mit genauen Zeitangaben zu versehen und die örtlich verteilten Recheninstanzen zu synchronisieren. Daher war die Entscheidung für den Einsatz der Software RTMaps (Real-Time Multisensor Applications) naheliegend, denn RTMaps wurde genau für solche Szenarien geschaffen, bei denen Anwender die Daten von unterschiedlichen Sensoren erfassen, zeitstempeln, synchronisieren und wiedergeben müssen (Abbildung 2). Um die Herausforderungen beim Projekt SmartKai zu bewältigen, wird auf jedem der Industrial PCs eine RTMaps-Runtime-Instanz betrieben. Darüber hinaus werden alle RTMaps-Instanzen untereinander synchronisiert, um die Echtzeitfähigkeit des Systems zu gewährleisten. Eine Hauptaufgabe im Projekt ist außerdem die historische Speicherung aller anfallenden Daten, um sie für die Weiterentwicklung und Evaluierung des Systems zu nutzen. Nach über einem Jahr Betriebszeit ist auf diese Weise eine umfangreiche Sammlung von Lidar-, Kamera- sowie AIS- und Winddaten entstanden. Mit RTMaps ist es auch möglich, diese Daten synchron wiederzugeben.
Umfangreiche Tests verschiedenster Szenarien
In September 2020, the system in Wilhelmshaven underwent its first three-day field test with more than 20 scenarios. These were oriented to the regulations issued by the International Maritime Organization (IMO), as well as to requirements stated by pilots. The research boat Josephine (belonging to OFFIS e.V.) and the survey ship Argus (NPorts) were used for the test. The sensor measurement values were saved via RTMaps and appropriately annotated. Data on the start and end times of the scenarios, plus details of any issues or events such as passing ships, were saved in the RTMaps EventMarker format so that the data could be used for the further development of the system. Following that, the system continued in operation through winter 2020/2021 and summer 2021. Docking maneuvers under harsh weather conditions are of particular interest because they can show the effect of the weather on the lidar measurement values. Throughout the entire test phase, data was continuously captured, time-stamped, and saved via RTMaps.
Vollständige Tests noch im Jahr 2021
Ein nächster Schritt des auf drei Jahre angelegten Projekts (Projektende November 2022) ist ein weiterer Aufbau an anderer Stelle, und zwar am Europakai in Cuxhaven. Dort soll das Augenmerk zunächst auf den Einflüssen durch Strömungen und Wetter liegen, die das Anlegen von Schiffen erschweren können. Das System wird dazu um sieben weitere Lidarsensoren erweitert, um die rund 300 Meter lange Kaianlage vollständig abzudecken. Bei der für Ende 2021 geplanten Testkampagne in Cuxhaven soll das System erstmals vollständig getestet und evaluiert werden
Über den Autor:
Jan Mentjes
M.Sc. Jan Mentjes, wissenschaftlicher Mitarbeiter im FuE Bereich Verkehr, OFFIS e.V. – Institut für Informatik, Deutschland.