Die Elektromobilität als Megatrend der Automobilindustrie bringt nahezu alle Fahrzeughersteller und Lieferanten dazu, neue E-Antriebe zu entwickeln und zu testen. Als vorrangige Entwicklungsziele gelten hohe Effizienz im Fahrzyklus und hohe Drehmoment- bzw. Leistungsdichte bei niedrigen Gesamtsystemkosten. Außerdem gilt es besonders strenge Grenzwerte in Bezug auf die Geräuschemissionen (Noise Vibration Harshness, NVH) einzuhalten. Für batterieelektrische Fahrzeuge werden überwiegend E-Achsen für Vorder- und/oder Hinterachse entwickelt, die Steuergeräte, Inverter, E-Maschine und Getriebe mit Differenzial vereinen. Für Hybridfahrzeuge wird der E-Antrieb meist im Getriebegehäuse integriert.

Virtuelle Auslegung des Antriebs
Links: Fertig aufgebauter Experimentierstromrichter SiC von außen. Rechts: Fertig aufgebauter Experimentierstromrichter SiC von innen, inklusive MicroLabBox.

Virtuelle Auslegung des Antriebs

Für den Fahrzeugantrieb kommen verschiedene Maschinentypen in Betracht: permanentmagneterregte Synchronmaschinen (PMSM), fremderregte Synchronmaschinen, Synchron-Reluktanzmaschinen und Asynchronmaschinen. Durch analytische Berechnungen und numerische Simulationen lassen sich alle Varianten virtuell am Computer auslegen und vergleichen. Für eine schnelle Markteinführung des E-Antriebs ist es aber unabdingbar, Prototypen möglichst früh auf den Prüfstand zu bringen. Um die E-Maschine oder komplette E-Achse in ihrem Gehäuse realitätsnah testen zu können und dabei Software-Parameter weiter zu optimieren, kann ein Rapid-Control-Prototyping-System wie die dSPACE MicroLabBox mit einer universellen leistungselektronischen Endstufe gekoppelt werden. Hierfür hat die Firma M&P Motion Control and Power Electronics GmbH (M&P) einen neu entwickelten Experimentierstromrichter mit Silizium-Carbid (SiC)-Bauelementen entwickelt, der eine spezielle Schnittstelle zur MicroLabBox aufweist. Diesen nutzt das Fraunhofer IWU, um aktive Verfahren zur Geräuschreduktion zu entwickeln und an Prototyp-Fahrantrieben zu testen. Dabei wird über die feldorientierte Stromregelung (FOR) eingegriffen, um störende tonale Geräuschanteile des Antriebs gezielt auszulöschen.

Zulässiger Arbeitsbereich des SiC-Experimentierstromrichters je Modul. 

Sicherer Betrieb von elektrischen Komponenten mit realen Strömen und Spannungen

Der Experimentierstromrichter besteht aus zwei Modulen und erlaubt es aufgrund der vielfältigen Schnittstellen der MicroLabBox mit einem Echtzeitsystem, zwei Maschinen mit max. 175 A oder im Parallelbetrieb eine Maschine mit max. 350 A Phasenstrom zu betreiben. Die maximale Schaltfrequenz beträgt dank SiC-Technologie 30 kHz. Dabei können Regelung, Modulation, thermische Modelle etc. in Simulink entwickelt und untersucht werden. Danach können sie direkt auf der MicroLabBox mit dem SiC-Experimentierstromrichter am realen Antriebssystem getestet werden. Diese Toolkette erlaubt einen nahtlosen Übergang zwischen Simulation und Test der aktiv geräuschreduzierenden Software-Komponenten.

Der Experimentierstromrichter lässt sich durch zusätzliche Hardware wie zusätzliche Drosseln oder einen Netzfilter erweitern und so neben Antrieben auch für diese Anwendungen einsetzen:

  • Netznachbildung
  • Einspeisung (AC/DC am Netz)
  • Batterienachbildung (DC/DC)

Aufbau des SiC-Experimentierstromrichters mit Einspeisung und Prüfling. Der Prüfling besteht aus Antriebsmaschine, Getriebe und Lastmaschine.

Elektrischer Fahrantrieb erfolgreich in Betrieb genommen

Der erste Einsatz des Systems war die Inbetriebnahme einer feldorientierten Stromregelung (FOR) für einen Fahrantrieb mit PMSM, inklusive Raumzeigermodulation und aktiver Geräuschreduktion auf dem akustischen Antriebs- und Getriebeprüfstand (AGPS) des Fraunhofer IWU. Dabei wurde nachgewiesen, dass der Beschleunigungspegel der hauptsächlichen Motorordnung auf dem Gehäuse in radialer Richtung mittels aktiver Geräuschreduktion um ca. 30 dB gesenkt werden kann, wodurch der Summenpegel um ca. 5 dB absinkt. Vor allem hochfrequente tonale Geräuschanteile des E-Antriebs, die für die Insassen des Fahrzeugs und für Passanten sehr unangenehm sind, können so mit Hilfe von Software sehr kostengünstig reduziert werden.

Wie schlägt sich die MicroLabBox im Prüfstandeinsatz?

Die MicroLabBox ist durch ihre kompakte Bauform einfach in den Prüfstand zu integrieren. Sie verfügt auch über wertvolle elektronische Features, die den Einsatz perfekt unterstützen. Dazu gehören:

  • Relevante Schnittstellen für die Kommunikation mit unterschiedlichen Prüfstand-Komponenten
  • Schnelle Updates der Regler-Software, um die Wirksamkeit der Algorithmen schnell zu verifizieren
  • Hochgenaue Generierung von Pulsmustern 
  • Hochgenaue Auswertung von Sensorsignalen 

Die Kombination aus leistungsfähigem Prozessor, schnellem FPGA und direkt angebundenen I/Os liefert die nötige Performance für die hochgenaue Injektion von Stromharmonischen (ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz bzw. des Wechselstroms) bei Abtastzeiten von bis zu 33 µs.

Akustikfunktion innerhalb feldorientierter Antriebsregelung auf der dSPACE MicroLabBox.

Ein Service für die Automobilindustrie

Dank des Prüfstands kann das IWU detaillierte NVH-Untersuchungen (Noise Vibration Harshness) von Antriebssystemen anbieten. Im Auftrag von Kunden werden Regelalgorithmen entwickelt und der Einfluss des akustischen Systemverhaltens verifiziert.

dSPACE MAGAZINE, PUBLISHED JUNE 2023 

About the Authors:

Ludwig Schlegel

Ludwig Schlegel

Ludwig Schlegel ist Leiter der Hardware-Entwicklung für Leistungselektronik bei M&P in Dresden.

Dr. Thomas Windisch

Dr. Thomas Windisch

Dr. Thomas Windisch ist Gruppenleiter Antriebsstrangakustik am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Dresden.

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