Wenn es um die Entwicklung und Absicherung von automatisierten und autonomen Funktionen im Fahrzeug geht, sehen sich Hersteller vor immer größere Herausforderungen gestellt. Zunehmend komplexere Aufgaben müssen von der Technik bewältigt werden, für die wiederum technisch ausgeklügelte Lösungen notwendig sind. Mit dem Problem dieser wachsenden Komplexität hat sich die e:fs TechHub GmbH beschäftigt und eine Lösung entwickelt, die es ermöglicht, komplexe Testprozesse deutlich zu vereinfachen.
Vom Serienfahrzeug zum Testfahrzeug ohne großen Aufwand
Mit LeanDRA (Lean Driving Robot & Analysis) hat e:fs eine Toolkette entwickelt, die jedes Serienfahrzeug des VW-Konzerns schnell und mit geringem Hardware-Aufwand in ein Testfahrzeug verwandelt.
„Ziel von LeanDRA ist es, Fahrfunktionen zur Verfügung zu stellen, die einen fahrerlosen Betrieb des Fahrzeugs ermöglichen. Die Bewegungsplanung kann für komplexe Testszenarien auch außerhalb des Fahrzeugs erfolgen, beispielsweise in einem Leitstand,“ so Tobias Behn, Leiter GT2 | Zentrale Technologien, e:fs TechHub GmbH.
Die Software wird dabei als Kommunikationsschicht zwischen der Fahrfunktion und dem Fahrzeugbus (CAN, Flexray oder Ethernet) eingesetzt. Damit erhält sie Zugriff auf die vorhandene Hardware und Software im Fahrzeug, zum Beispiel auf Sensoren und Aktoren. Alle Funktionen im Fahrzeug sind dann über das System steuerbar – sogar über einen Spielekonsolen-Controller. Darüber hinaus können detaillierte Informationen über das Fahrzeugsystem abgerufen werden, und das System lässt sich für jeden Anwendungsfall beliebig konfigurieren. Eine Schlüsselkomponente des LeanDRA Gesamtsystems ist eine MicroAutoBox III von dSPACE.
Diese und weitere Funktionen können so kontrolliert werden.
- Ansteuerung des Gesamtsystems: vom abgeschalteten Fahrzeug bis zum autonomen Betrieb
- Fernstart des Fahrzeugs
- Gang einlegen
- Parkbremse lösen
- Beschleunigen/Bremsen
- Lenken
- Blinken
- Hupen
- Bremslicht
- Scheibenwischer
Testumgebung wie im realen Leben
LeanDRA kann dazu genutzt werden, Informationen über Fahrerinteraktion und Fahrzeugverhalten beim automatisierten Fahren zu sammeln und damit Entscheidungen für das Aufsetzen neuer Funktionen zu erleichtern. Aufgrund des Wegfalls von sperriger Hardware (Fahrroboter), kann auch ein realer Fahrer den Testfall so erleben, wie es im Serienfahrzeug nachher der Fall ist und sich daher auch ganz normal verhalten.
Auch die Abbildung von Verkehrssituationen mit mehreren Fahrzeugen ist mit LeanDRA möglich, was wiederum für die Absicherung und Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und hochautomatisierten Fahrfunktionen (FAS/HAF) mit Corner Cases notwendig ist. Dabei lassen sich alle Fahrzeuge über das System steuern und wissen dank Global Navigation Satellite System (GNSS) auch immer um ihre Position. Diese Szenarien können bei entsprechender Infrastruktur auch ohne Sicherheitsfahrer durchgeführt werden.
Kompakt untergebracht: Das gesamte System, das auch mit älteren Produktversionen läuft, benötigt nur wenig Platz im Fahrzeug. © e:fs TechHub GmbH
Sicherheit implementiert
Im Rahmen der Tests spielt auch die Sicherheit eine große Rolle. Dazu gehört die konstante Überwachung aller relevanten Systemwerte. Im Notfall sind mehrere Szenarien möglich:
- Vordefinierte Verzögerung und Abschalten des Fahrzeuges, auch bei Teilausfall des Systems
- Vordefinierte Notfalltrajektorie
- Übergabe im Falle eines Fehlers an den Sicherheitsfahrers auf zwei Ebenen:
- Software-seitige Rückfallebene: Der Fahrer hat das Fahrzeug dann wieder im normalen Serienbetrieb zur Verfügung.
- Hardware-seitige Rückfallebene: Manipulierende Komponenten werden abgeschaltet.
- Die Anbindung an externe Funk-Not-Aus-Systeme ist ebenfalls möglich
Sowohl das Sicherheitssystem als auch die Entscheidung darüber, welche Funktionen gesteuert werden sollen, sind auf der MicroAutoBox III implementiert.