Validieren muss skalieren!

Veröffentlicht: 10.09.2021

Dominik Dörr, Automated Driving & Software Solutions, dSPACE GmbH

In der Automobilindustrie sehen wir aktuell einen Trend zu immer mehr Automatisierung. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir uns von mobilen Shuttlen von A nach B fahren lassen oder nach einem anstrengenden Arbeitstag auf dem Heimweg in bestimmten Situation auf einen Knopf drücken können, und unser Auto übernimmt die Fahraufgabe für uns. Somit könnten wir bereits auf dem Heimweg mit dem Entspannen beginnen. Klingt das nicht traumhaft? Doch damit diese Vorstellung Realität werden kann, muss noch einiges passieren. Die Technik selbst ist schon sehr fortgeschritten und in bestimmten Zonen ist autonomes Fahren bereits verfügbar. Denken wir hier mal an Phoenix, Arizona, wo Waymo bereits einen autonomen Fahrdienst für die Bevölkerung anbietet und das mittlerweile sogar ohne einen Sicherheitsfahrer, was für das hohe Vertrauen von Waymo in seine Technologie spricht.

Sicheres autonomes Fahren

Vertrauen ist hier ein wichtiges Stichwort. Wenn Menschen ihre Sicherheit einer Technologie anvertrauen, wie es beim autonomen Fahren der Fall ist, spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Nur wenn einer Technologie ein gewisses Vertrauen entgegengebracht wird, wird sie von Menschen auch akzeptiert und kann am Markt erfolgreich werden. Vertrauen kann hier nur aufgebaut werden, wenn den Menschen überzeugend klargemacht werden kann, wie die Technik funktioniert und vor allem wie die Technik getestet wurde. Insbesondere wenn dann noch Komponenten eingesetzt werden, die auf künstlicher Intelligenz basieren, wird ein solcher Vertrauensaufbau innerhalb der normalen Gesellschaft schwierig. Alleine das Stichwort „künstliche Intelligenz“ ruft bei vielen Menschen Ängste hervor. Wenn diese Menschen dann noch dieser undurchschaubaren Technik ihr Leben anvertrauen sollen, werden viele sehr nervös. 

Szenariobasiertes Testen

Doch wie kann hier Vertrauen aufgebaut werden? Dies funktioniert nur, wenn die Hersteller den Menschen klarmachen können, dass sie ihre Systeme auf Herz und Nieren in jeder erdenklichen Situation, die im Straßenverkehr auftreten kann, getestet haben. Das dies über normale Testfahrten mit physikalischen Prototypen nicht möglich ist, wird ziemlich schnell deutlich, wenn man sich folgendes Beispiel vor Augen führt: Die RAND Corporation aus den USA hat bereits im Jahr 2016 eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass man 8 Milliarden Meilen, also ungefähr 12,9 Milliarden Kilometer ohne tödlichen Unfall autonom fahren müsste, um statistisch zu beweisen, dass das autonome Fahrzeug sicherer ist als der menschliche Fahrer, denn menschliche Fahrer produzieren 1,09 tödliche Unfälle pro 100 Millionen gefahrenen Meilen. Nimmt man an, ein Hersteller hätte eine Flotte von 100 solcher autonomen Fahrzeuge, was für heutige Hersteller schon eine beachtliche Flotte wäre, da diese Fahrzeuge aufgrund der hochwertigen Sensorik sehr teuer sind. Wenn diese Fahrzeuge 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 Meilen pro Stunde, was ca. 64 Kilometer pro Stunde entspricht, fahren würden, würde es ca. 228 Jahre dauern, bis diese Flotte die 8 Milliarden Meilen gefahren wäre. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das nicht praktikabel ist, denn diese Tests müsste man nochmal von vorne beginnen, wenn man auch nur eine relevante Zeile Programmcode oder eine Parametrierung in der Fahrzeug-Software ändern würde. Um die Absicherung eines autonomen Fahrzeugs zu ermöglichen, helfen grundsätzlich zwei Dinge. Zum einen ein Paradigmenwechsel weg von der Anzahl der gefahrenen Kilometer hin zum sogenannten szenariobasierten Testen. Zum anderen die Verlagerung der überwiegenden Anzahl der Tests in eine virtuelle Testumgebung. Eine solche Testumgebung, die auf Software basiert, ermöglicht eine Skalierung der Tests und damit eine größere Menge Tests in kürzerer Zeit. 

Szenariobasiertes Testen bedeutet, dass bestimmte Fahrsituationen ausgesucht werden, in denen die Fahrfunktion durch besondere Verkehrskonstellationen oder sich komisch verhaltende Verkehrsteilnehmer an ihre Grenzen gebracht wird. Diese Situationen werden dann in der virtuellen Testumgebung nachgebildet und können dann auf sichere Art und Weise immer wieder für das Testen der Fahrfunktion herangezogen werden. Wenn diese Szenarien dann auch noch abstrahiert und damit parametrierbar gemacht werden, lassen sich über die Variation dieser Parameter aus dem einen Szenario eine Vielzahl ähnlicher Szenarien generieren, die die Fahrfunktion bis an ihre Grenze bringen können. Dadurch explodiert natürlich auch die Menge der Tests, die durchgeführt werden müssen, um tatsächlich sicherzugehen, dass die Funktion auch in jeder Situation, die im Straßenverkehr auftreten kann, ein sicheres Fahrverhalten an den Tag legt.

Wiederverwendung von Modellen zwischen SIL- und HIL-Tests

Die virtuelle Testumgebung, in der diese Szenarien ausgeführt und die Fahrfunktion damit getestet wird, muss natürlich einige Kriterien erfüllen, damit sie auch für sicherheitsrelevante Tests von Fahrfunktionen genutzt werden kann. Erstmal müssen die verwendeten Modelle für das Fahrzeugverhalten, wie Fahrwerk, Motor, Bremsen usw., ein realistisches Verhalten abbilden. Dies lässt sich beispielsweise dadurch sicherstellen, dass bestimmte Fahrmanöver einmal im realen Fahrversuch und einmal in der virtuellen Simulationsumgebung abgefahren werden, und das Fahrzeugverhalten in beiden Fällen verglichen wird. Ähnliches gilt auch für die Modelle, die die Reaktion der anderen Verkehrsteilnehmer auf das zu testende Fahrzeug beschreiben. Des Weiteren müssen auch die virtuellen Sensoren in der Lage sein, die Umgebung um das virtuelle Testfahrzeug genauso zu erkennen, wie das in der Realität der Fall ist, insbesondere in späten Entwicklungsphasen, wenn auch die Umgebungserkennung mit in der virtuellen Umgebung überprüft werden soll. Wichtig ist auch eine Reproduzierbarkeit der Ergebnisse, was nur durch den Einsatz von deterministischen Modellen zu erreichen ist. Diese Modelle müssen deterministisch sein, aber dennoch eine geringe Rechenzeit aufweisen, denn nur dadurch ist es möglich, die Szenarien in endlicher Rechenzeit zu absolvieren. Ganz besonders, wenn man die Systeme auf einem sogenannten Hardware-in-the-Loop-Prüfstand testen möchte, bei dem das finale Steuergerät als reale Hardware vorliegt, und das umgebende Fahrzeug inklusive der Fahrzeugumgebung virtuell simuliert und das Steuergerät mit den benötigten Signalen gefüttert wird, ist es essentiell, dass alle Modelle zusammen mindestens in Echtzeit simulierbar sind. Würden Signale beim Steuergerät nicht im richtigen Zeitraster ankommen, würde dieses in einen Fehlerzustand gehen, und der Test wäre nicht mehr aussagekräftig. 

SIMPHERA ist die neue webbasierte Simulations- und Validierungslösung von dSPACE.

Doch auch für das sogenannte Software-in-the-Loop-Umfeld, bei dem sowohl die Simulationsumgebung als auch die zu testende Funktion rein virtuell als Software vorliegen, ist eine hohe Leistung der Modelle wichtig. Über eine Skalierung dieser Simulationsumgebung, beispielsweise durch Nutzung von Cloud-Technologie, lässt sich zwar viel parallelisieren, aber je performanter die Modelle sind, desto mehr Tests kann ich in der gleichen Zeit durchführen oder ich kann die gleiche Anzahl von Tests in kürzerer Zeit durchführen, was zum einen wertvolle Test- und Entwicklungszeit und zum anderen natürlich auch bares Geld einspart.

dSPACE hat mit SIMPHERA eine neuartige Simulations- und Validierungslösung geschaffen, die die oben genannten Kriterien erfüllt, da sie auf Bestandssoftware von dSPACE, was als Industriestandard angesehen werden kann, basiert. Außerdem wird durch die Nutzung von Web- und Cloud-Technologie die Möglichkeit geschaffen, weltweit agierende Spitzen-Entwicklerteams zu vernetzen und so Synergien zu schaffen, die bei der Nutzung von lokalen Validierungslösungen nicht möglich wären. Die übersichtliche und nutzerfreundliche Oberfläche von SIMPHERA erlaubt es auch Nicht-Simulationsexperten, die Vorteile der virtuellen Validierung zu nutzen. Somit können Funktionsentwickler in frühen Entwicklungsphasen Simulation nutzen, um Fehler früh im Entwicklungsprozess zu finden und somit das Fahrzeug von morgen sicherer zu machen. Die nahezu endlose Skalierbarkeit von SIMPHERA ermöglicht das hochparallele Testen von zahllosen Szenarien, um das Vertrauen in autonome Fahrzeuge zu schaffen, das gebraucht wird, um uns eine autonome und somit sichere und entspannte Zukunft zu ermöglichen.

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