HSU Hamburg: Aktive Schallreduktion in Wohn- und Schlafräumen

Veröffentlicht: 25.01.2019

Die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg arbeitet weiter mit Hochdruck an Systemen zur aktiven Lärmreduktion durch Gegenschall, unter anderem gegen die Lärmbelastung in Wohnungen durch den stetig zunehmenden Verkehr. Bereits 2014 wurden vielversprechende Ergebnisse im dSPACE Magazin vorgestellt. Durch neue Technologien und die Möglichkeiten des neuen SCALEXIO-Echtzeitsystems konnten die Forscher ihre Lösung nun deutlich weiterentwickeln und damit den Alltagseinsatz vereinfachen.

Störfaktor Lärm

Die besonders im städtischen Bereich allgegenwärtige Lärmbelastung, zum Beispiel durch Verkehr, erzeugt Stress und schadet der Gesundheit. Die bisher in Wohngebäuden eingesetzten Dämmstoffe verlieren allerdings mit sinkender Schallfrequenz, zum Beispiel bei Lkw-Motoren, an Wirkung. Zudem macht bereits ein zum Lüften gekipptes Fenster auch die beste passive Dämmung wieder zunichte. Genau an dieser Stelle setzt daher das Konzept der aktiven Schallreduktion an.  

Gegenschall beendet Lärm

Abbildung 1: Prinzip der aktiven Schallreduktion: Die Ursprungswelle (grau) und die Gegenschallwelle (blau) überlagern sich und löschen sich (beinah) gegenseitig aus.

Die aktive Schallreduktion durch Gegenschall beruht auf dem Prinzip der destruktiven Interferenz, bei dem sich zwei gegenphasig schwingende Wellen auslöschen. Der Gegenschall wird auf Basis der Messung zweier Mikrofone (siehe Abbildung 1) berechnet und über einen Lautsprecher mit dem Störsignal überlagert. Das erste Mikrofon nahe der Lärmquelle erfasst die unerwünschten Geräusche, während sich das zweite Mikrofon im Ruhebereich befindet und das resultierende Fehlersignal aus Überlagerung von Lärm und Gegenschall vermisst. Eine vollständige Auslöschung des Lärms wird in der Praxis durch verschiedene Störfaktoren verhindert. Weil sich Schall in alle Richtungen ausbreitet und zudem an Oberflächen reflektiert wird, entsteht in der Praxis ein komplexes Schallfeld mit einem breiten Frequenzspektrum, für das sich allenfalls nur sehr lokal ein Gegenschallsignal erzeugen lässt.  

Wohnen und schlafen jetzt aktiv schallgedämmt

Abbildung 2: Aufbau des Gegenschall-Testsystems mit dSPACE Komponenten.

Der in Abbildung 2 dargestellte Versuchsaufbau besteht aus zwei Räumen: einem reflexionsarmen Außenraum mit den Lautsprechern für die Lärmerzeugung, und einem Innenraum mit den typischen akustischen Eigenschaften eines Wohnraums. Dieser ist über ein handelsübliches Fenster mit dem Außenraum verbunden.

Die Erzeugung des Gegenschalls erfolgt auf Basis eines Mehrkanalsystems, bei dem anstelle des in Abbildung 1 dargestellten Referenzmikrofons pro Kanal ein intern auf Basis des gemessenen Fehlers berechnetes Referenzsignal genutzt wird, so dass sich der Systemaufbau in der Praxis vereinfacht. Allerdings erfordert diese Vereinfachung sehr kurze Berechnungszeiten, da der Gegenschall auf Basis des prädizierten Lärms berechnet und erzeugt sein muss, bis dieser am Gegenschall-Lautsprecher ankommt. Je kürzer die Zeitspanne ist, über die diese Prädikation stattfindet, desto besser funktioniert am Ende die Reduktion des Lärms.

Die Signalverarbeitung wurde auf Basis eines SCALEXIO-Echtzeitsystems implementiert. Die analogen Signale der 16 eingesetzten Fehlermikrofone werden über zwei DS2655-FPGA-Subsysteme mit jeweils 5 DS2655M1 Multi-I/O Modulen an zwei DS6001 Processor Boards geleitet, die mit einem adaptiven digitalen Regelalgorithmus (Filtered-x-Least-mean-square) die Ausgabesignale für den Gegenschall berechnen. Diese werden dann von digitalen in analoge Signale umgewandelt und leistungsverstärkt über 16 Gegenschall-Lautsprecher ausgegeben.   

Entwicklung seit 2014

Abbildung 3: Für die perfekte Nachtruhe: Versuchsaufbau mit im Fensterrahmen eingebauten Lautsprechern und Mikrofonen.

Seit 2014 wurden alle Bereiche des Systems überarbeitet und verbessert. So konnten zum Beispiel die Mikrofone und Lautsprecher innerhalb des Fensterrahmens angeordnet werden. Keine der Komponenten ist damit noch außerhalb des Gebäudes platziert und Witterungseinflüssen ausgesetzt. Zudem wird der Blick durch das Fenster nicht durch die zusätzlichen Komponenten behindert. Des Weiteren kann so ein Nachrüstsatz konstruiert werden, um ihn bei Bedarf an bestehende Fenster zu installieren.

Durch den Einsatz des neuen SCALEXIO-Echtzeitsystems mit seiner im Vergleich zur bislang eingesetzten PHS-Technik deutlich verbesserten Prozessorleistung und Systembandbreite konnte die Signalverarbeitung deutlich verbessert werden. Dabei wurde die Abtastrate des Gegenschallsystems bei gestiegener Kanalzahl um den Faktor fünf auf 40 kHz gesteigert, wodurch auf zusätzliche analoge Tiefpassfilter im Signalpfad verzichtet werden konnte. Die Leistungsfähigkeit des SCALEXIO- Echtzeitsystems verdeutlicht die folgende erfolgreich betriebene Konfiguration des Versuchsaufbaus:

  • Je 16 Fehlermikrofone und Gegenschall-Lautsprecher
  • Abtastrate: 40 kHz
  • Multiply-Accumulate-Operationen (MAC): ca. 76.640 MAC pro Takt
  • Einfache Genauigkeit: 3,1e9 MAC pro Sekunde

Nächste Projektziele

Der aktuelle Aufbau zielt vornehmlich auf die Reduktion von statischen Lärmquellen, beispielsweise Baulärm, ab. Eine große Beeinträchtigung stellen aber besonders bewegte Lärmquellen, zum Beispiel vorbeifahrende Lkws oder anfahrende Busse an verkehrsintensiven Straßen, dar.

In der nächsten Projektphase sollen diese Verursacher besonders untersucht und Gegenmaßnahmen erforscht werden. Auch bietet das verwendete dSPACE System noch Potentiale, die untersucht werden sollen. So kann beispielsweise durch eine Verschaltung der beiden Prozessorsysteme zum Multiprozessorsystem und Auslagerung von Signalvorverarbeitung an das FPGA die Komplexität der Berechnungen weiter erhöht werden.

Hptm M. Sc. Jonas Hanselka arbeitet an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg im Bereich Mechatronik.

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