Im Juli hat dSPACE understand.ai erworben. Das Start-up ist Technologieführer im Bereich KI mit Fokus auf die automatisierte Datenanalyse, Daten-annotation und Extraktion von Simulationsszenarien für autonome Fahrzeuge. Mit diesen Schlüsseltechnologien ergänzt dSPACE sein Portfolio strategisch und bietet Kunden jetzt eine einzigartige, integrierte Entwicklungs- und Testlösung für das autonome Fahren. Im Interview erklären die beiden UAI-Gründer Marc Mengler und Phillip Kessler den Mehrwert der Kooperation und beschreiben, wie Kundenprojekte typischerweise ablaufen.

KI wird in vielen Bereichen angewendet, zum Beispiel in der Medizin. Warum konzentriert Ihr Euch auf die Autoindustrie?

Marc Mengler: Anfangs lag unser Fokus nicht allein auf dem Thema Verkehr. In der ersten Zeit haben wir auch mit dem deutschen Krebsforschungszentrum gearbeitet und zusammen einen großen Datensatz zum Trainieren und Testen von medizinischer KI veröffentlicht. Das Problem bei der Medizin ist jedoch, dass in unseren Körpern relativ wenig standardisiert ist. Zellen, Krankheiten und Tumore halten sich an wenige Regeln.

Wer in Metropolen Verkehrssitua-tionen zur Rushhour betrachtet, dem können schon Zweifel an Ordnung und Regelmäßigkeit kommen ...

Philip Kessler: An einigen Stellen wird es komplex, im Großen und Ganzen läuft der Verkehr aber geregelt und standardisiert ab. Die häufigsten Verkehrsobjekte sehen oft relativ ähnlich aus oder sind ähnlich dimensioniert. Einmal trainierte und optimierte KI-Algorithmen können so im Idealfall für die häufigsten Objektklassen weltweit eingesetzt werden. Dies ist entscheidend, um ein skalierbares und immer präziser werdendes Produkt zu bauen. Und Präzision ist bei unserem ersten Produkt, der Erstellung von Trainings- und Testdaten für KI-Algorithmen, entscheidend. Deshalb haben wir uns voll auf eine Domäne konzentriert. Ein weiterer Grund sprach dafür: Bei understand.ai sind wir davon überzeugt, dass unsere Generation auch daran gemessen wird, ob wir autonomes Fahren ermöglichen oder aufschieben. Wir sind fest entschlossen, „Enabler“ zu sein. 

Über understand.ai
Marc Mengler (CEO) und Philip Kessler (CTO) sind die Gründer von understand.ai.

Über understand.ai

understand.ai verfügt über besonderes Expertenwissen im Bereich von Trainings- und Validierungsdaten, mit denen sich Algorithmen für autonomes Fahren effizient anlernen und testen lassen. Dazu bereitet das Unternehmen beispielsweise mit Hilfe selbstlernender Algorithmen Sensordaten auf, die bei Messfahrten aufgezeichnet wurden, und macht diese letztlich simulierbar. Die zugrunde liegende Schlüsseltechnologie basiert auf künstlicher Intelligenz und sorgt für eine effiziente und präzise Auswertung, die auf Kundenseite zu einer hohen Genauigkeit der Fahralgorithmen beiträgt. understand.ai wurde 2017 gegründet und hat 55 Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Karlsruhe. Weitere Informationen unter understand.ai

 

In der Automobilindustrie spricht man oft vom datengetriebenen Entwicklungsprozess. Welche Rolle spielt Ihr dabei?

Philip Kessler: Wir lassen den Worten Taten folgen: Unser Produktportfolio ist darauf aufgebaut, die richtigen Messdaten zu identifizieren, diese in der richtigen Qualität anzureichern, sprich sie zu annotieren, und die Daten in eine Simulationsumgebung zu extrahieren. In der Simulation werden die aufgenommenen Echtweltszenarien – zum Beispiel ein Überholvorgang eines stehenden Autos – um relevante Varianten angereichert. Damit machen wir kritische Szenarien in der richtigen Quantität simulierbar. Somit spielen unsere Produkte eine Hauptrolle in der datengetriebenen Entwicklung und der Validierung von autonomen Fahrzeugen.

Wie fügt sich das Angebot von UAI in das Angebot von dSPACE ein?

Wir ergänzen uns gegenseitig bestens. Das UAI Portfolio deckt die Themen Data Selection, Anonymisierung, Annotierung und Szenariogenerierung ab und fügt sich nahtlos in dSPACE Angebote zum Data Logging auf der einen Seite und dem Daten-Replay und der Simulation auf der anderen Seite ein. Gemeinsam können wir den datengetriebenen Prozess mit einer umfassenden Toolkette abbilden. Die gemeinsame Vision von der daten- und szenariogetriebenen Entwicklung und Validierung vom autonomen Fahren waren letztlich auch für unser Team ausschlaggebend, sich für dSPACE als Partner zu entscheiden. 

Wie verläuft typischerweise ein Kundenprojekt von UAI?

Marc Mengler: All unsere Kundenprojekte basieren auf Rohdaten, das heißt Messdaten, die mit mehreren Fahrzeugkameras, Lidar- und Radarsensoren von unseren Kunden aufgezeichnet und uns per Datenintegra-tion zur Verfügung gestellt werden. Rohdaten sind für das Trainieren und Testen von KI-Algorithmen jedoch nur sehr eingeschränkt nutzbar und werden erst substantiell nutzbar, wenn sie angereichert werden – etwa durch Begrenzungsboxen um Objekte oder die Zuordnung jedes Pixels zum dazugehörigen Objekt. Dies hört sich einfacher an, als es ist. Am Ende müssen wir hier eine 98%-Pixelgenauigkeit erreichen, und der Teufel steckt im Detail: So gibt es beispielsweise dutzende Arten, eine zweidimensionale, rechteckige Box um ein Auto in einem zweidimensionalen Kamerabild zu setzen.

... und die Kunden definieren die Abmessungen eines Fahrzeugs auch nicht immer gleich?

Philip Kessler: Auch das nicht: Einige Kunden benötigen eine Box, die die Autospiegel, Autoantennen, Gepäckträger etc. beinhalten, andere nicht. Andere Kunden wollen eine extrapolierte Box, die die nicht-sichtbaren, weil verdeckten oder im Kamerabild abgeschnittenen Teile des Autos beinhalten. Um die richtige Spezifikation für jede der oft mehr als 50 verschiedenen Objektklassen zu finden, die auch in Randfällen berücksichtigt werden, arbeiten wir vor allem in der Anfangsphase sehr eng mit dem Kunden und unterstützen ihn, die richtigen Spezifikationen zu finden. Diese demonstrieren wir dann auf einem signifikanten Subset des Datensatzes. Hierfür verwenden wir hochautomatisierte Prozesse und Experten-Algorithmen, die im Zusammenspiel mit menschlicher Validierung eine nahezu pixelperfekte Anreicherung der Sen-sordaten ermöglichen. Sobald dieses Subset vom Kunden geprüft und freigegeben wurde, optimieren wir unsere Algorithmen, das Tooling und die Prozesse auf die jeweiligen Spezifikationen und können innerhalb dieser Spezifikationen sehr gut auf höhere Volumina skalieren. Beim autonomen Fahren handelt es sich jedoch um ein sehr dynamisches Feld mit stetig wechselnden Spezifikationen. Oft kommt es innerhalb von Kundenprojekten zu Spezifikationsänderungen, es werden Sensoren gewechselt oder an anderen Stellen am Fahrzeug eingebaut. Darauf können wir durch die enge Zusammenarbeit mit dSPACE jetzt schneller und kundennäher reagieren.  

Durchgängige Lösungskette: Die understand.ai (UAI) Produktsuite rundet das Portfolio von dSPACE für die datengetriebene Entwicklung ab.

Was unterscheidet Euer Angebot vom Angebot von Mitbewerbern?

Marc Mengler: Einen großen Unterschied macht die Kooperation mit dSPACE: Durch dSPACE haben wir globale Vertriebsteams in Ländern, die mit den Kunden vor Ort in ihrer Sprache die individuellen Kundenbedürfnisse und Veränderungen in den Projektspezifikationen klären können. Entlang der gesamten Tool- und Wertschöpfungskette von dSPACE und understand.ai. On top kommt die einmalige Beratung, die wir als KI-Exper-ten unseren Kunden liefern können. Wir wurden gegründet von KI-Experten für KI-Experten. Der von unseren Kunden jedoch meistgenannte Punkt ist die Qualität unserer Datenanreicherung. In diesem Punkt werden wir als im Markt führend angesehen.

Wie definiert Ihr Qualität?

Philip Kessler: Die Qualität von Annotationen und extrahierten Szenarien setzt sich aus vier Kriterien zusammen: Präzision, Korrektheit, Abdeckung und Konsistenz. Für jedes Qualitätskrite-rium legen wir vertraglich mit unseren Kunden fest, welche Messwerte wir erreichen müssen. Besser zu sein, ist immer unser Ziel. Denn höchstmögliche Qualität von Trainings- und Testdaten bereitzustellen, war eines unserer Gründungsziele und ist uns nach wie vor innerer Antrieb. 

Was bringt die Kooperation mit dSPACE für die weltweiten Kunden?

Marc Mengler: Zusammen mit dSPACE können wir Kunden weltweit eine bessere Betreuung, Beratung und Schulung anbieten. OEMs erhalten eine einzigartige, integrierte Entwicklungs- und Testlösung für autonomes Fahren aus einer Hand.

An welchen neuen Angeboten arbeitet Ihr?

Philip Kessler: Für unsere Kunden geht es immer um diesen Dreisatz: Die richtigen Daten in der richtigen Qualität und der richtigen Quantität. Das Thema Qualität decken wir durch Angebote für die Annotation und die Scenario Generation bereits ab. Ein neues Angebot zum Thema Quantität in Form der stetig wachsenden Scenario Library bieten wir ab Anfang 2020 an. Somit bleibt das Thema der „richtigen Daten“ übrig. Ende 2020 werden wir auch dazu ein Produkt anbieten.

An wen wenden sich Kunden, wenn Sie Eure Software oder Services benötigen?

Marc Mengler: dSPACE Vertriebsmitarbeiter und Key Accounter weltweit sind geschult und stehen als Ansprechpartner zur Verfügung. Wenn vertieftes Know-how benötigt wird, unterstützen UAI-Experten gerne.  

Über die Interviewten

Marc Mengler

Marc Mengler

CEO Understand.ai

Philip Kessler

Philip Kessler

CTO Understand.ai

dSPACE MAGAZIN, VERÖFFENTLICHT Januar 2020

Weiterführende Informationen

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