Der Perception Stack von autonomen Fahrzeugen muss in der Lage sein, die Umgebung des Fahrzeugs perfekt zu erkennen. Dazu wird seine Funktion mit Ground-Truth-Daten abgeglichen. Diese werden durch Annotation auf der Basis von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen automatisch erzeugt. Die Qualität, Umsetzungsgeschwindigkeit und Kosten der Annotation zu optimieren, ist das Ziel von understand.ai, einem Unternehmen der dSPACE Gruppe.

 Jürgen, Du bist 2021 bei understand.ai als CEO gestartet. Was hast Du zuvor gemacht? Was sind Deine Eindrücke vom Unternehmen und vom dSPACE Konzern?

Mein beruflicher Hintergrund ist die Automobilindustrie im Bereich EE und IT mit dem Schwerpunkt auf CASE (Connected, Automated, Shared, Electrified). Ich habe in technischen und vertrieblichen Leitungsfunktionen in Start-ups und Großkonzernen gearbeitet. Es motiviert mich sehr, neue innovative Technologien in der Automobilindustrie zu realisieren. understand.ai ist so ein Innovationstreiber und verfügt über hervorragende Kompetenz und Produkte im Bereich der künstlichen Intelligenz und des Machine Learnings, das wir im autonomen Transportumfeld anwenden. Wir haben die Start-up-Phase hinter uns gelassen und befinden uns jetzt im Scale-up mit einem hochgradig motivierten und kompetenten Team. Mit dSPACE im Hintergrund verfügen wir über einen starken Partner, um unser Wachstum weiter auszubauen. Wir agieren unabhängig, nutzen aber Synergien, wo es sinnvoll ist. Zu erwähnen ist auch, dass sich die Produkte von understand.ai sehr gut in das „Data Driven Development“-Produktportfolio von dSPACE einfügen, zum Beispiel im Zusammenhang der Generierung von Simulationsszenarien.

Wann erleben wir autonomes Fahren und welche Herausforderungen ergeben sich für die Hersteller autonomer Fahrzeuge?

Hier müssen wir zunächst unterscheiden, ob wir von „Passenger Cars“ oder kommerziellen B2B-Anwendungen sprechen. Im Bereich der „Passenger Cars“ sehen wir heute vor allem Funktionen im ADAS/L2-Bereich und erste Anwendungen im AD/L3-Umfeld. Die hier zu lösenden Fragestellungen sind neben der Technik unter anderem die Kosten, die Zulassungsbedingungen und die Haftungsfrage, die sich zunehmend vom Fahrer auf den Hersteller verlagert. Daher wird meiner Meinung nach das autonome Fahren im Bereich von L4 oder L5 im „Passenger Car“-Segment noch einige Zeit benötigen. Anders im kommerziellen Bereich, da sich hier die ODD (Operation Design Domain) klarer definieren lässt und damit Zulassungs- und Haftungsrisiken begrenzt werden können. Ferner rechnet sich kommerziell der Business Case, da sich die Kosten der AD-Technologie durch den Wegfall des Fahrers kompensieren lassen. Wir sehen hier heute schon erste L4-Anwendungsfälle in der Praxis.

Was sind wichtige Erfolgsfaktoren für die effiziente Entwicklung von Systemen für das automatisierte Fahren?

Gemeinsame Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung vom autonomen Fahren ist die Qualität der verwendeten Daten, Algorithmen, Prozesse und Technologien sowie die Geschwindigkeit und der Automatisierungsgrad des Entwicklungsprozesses. Es gilt verlässliche Toolketten aufzubauen, die eine hohe Flexibilität, Qualität und Automatisierung ermöglichen. Die zu verarbeitenden Datenmengen sind riesig, wobei die Kosten unter Kontrolle bleiben müssen. Auch müssen sich die Entwicklungs- und Reaktionszeiten verkürzen, um neue Sensoren und Funktionen zeitnah in Serie zu bringen und die Sicherheit der Flotte im Feld jederzeit zu gewährleisten.    

Automatisierung: Die Linearität zwischen den Kosten für manuelle Annotationen und dem Datenvolumen entkoppeln.

Wobei unterstützt understand.ai seine Kunden? Was ist der Kundennutzen?

understand.ai erstellt Annotationen für die Erzeugung der „Ground Truth Data“ für autonome Transportsysteme. In zulassungsrelevanten Anwendungsbereichen werden große Datenmengen benötigt, um eine Validierung des „Perception Stacks“ vorzunehmen. Dabei wird die Funktionsweise des „Perception Stacks“ gegen die so genannte „Ground Truth“ abgeglichen. Wir verwenden künstliche Intelligenz und „Machine Learning“, um die Erstellung der Annotationen vollständig zu automatisieren. Zielsetzung ist hierbei, dass bei der Verarbeitung der Validierungsdaten keine manuelle Labeling-Arbeit mehr notwendig ist. Der herkömmliche Annotierungsansatz beinhaltet einen sehr hohen Anteil an manueller Arbeit, um die Labels anzupassen und zu überprüfen. Bei großen Validierungsprojekten können leicht hunderte oder gar tausende von Mitarbeitern zum Einsatz kommen, was sehr teuer, schwierig zu koordinieren und langsam ist. Durch unseren Automatisierungsansatz ermöglichen wir einen realistischen Preis für „Large Scale Validation“-Projekte, eine methodisch abgesicherte Datenqualität und eine deutlich verkürzte Projektlaufzeit.

Wie sieht ein typisches Projekt von understand.ai aus?

Wir bekommen von unseren Kunden Daten angeliefert oder etablieren eine „Data Pipeline“, um kontinuierlich Daten zu verarbeiten. Ggf. importieren und kalibrieren wir die Daten dann und führen bei Bedarf eine Anonymisierung der Daten durch. Dies ist zum Beispiel notwendig, wenn für KI-Trainingszwecke Menschen auf die Daten zugreifen müssen, um eine Auswahl der Daten zu treffen. Als nächstes werden unsere Labeling-Robots entwickelt, angepasst und trainiert. Durch einen iterativen Prozess verbessern wir die Qualität der Automatisierung bis zum gewünschten Qualitätsniveau. Danach werden die Daten verarbeitet und die Labels automatisiert erzeugt. Im letzten Schritt werden die Ergebnisse an den Kunden zurückgeschickt. Unsere Plattform läuft dabei als SaaS-Lösung in der Cloud, was es uns ermöglicht, praktisch beliebig zu skalieren.   

Auf welche strategischen Ausrichtungen von understand.ai können sich die Kunden einstellen?

Wir fokussieren uns voll auf das Thema Automatisierung im Bereich „Large Scale Validation“. Dabei legen wir einen besonderen Wert auf die Themen Qualität, Skalierung und Flexibilität. Qualität bedeutet für uns, dass wir die geforderte Datenqualität erreichen, aber auch, dass wir über die Methodik verfügen, um die Einhaltung der Qualität nachweisen zu können. Im Bereich der Skalierung erhöhen wir kontinuierlich unsere Fähigkeit, unsere Systeme an die steigenden Datenmengen anzupassen und massiv zu parallelisieren. Auch automatisieren wir fortlaufend unsere Prozesse, so dass wir eine Vielzahl von Projekten gleichzeitig abarbeiten können. Unter Flexibilität verstehen wir unsere Fähigkeit, uns schnell an Kundenanforderungen anzupassen – unter funktionalen und prozessualen Gesichtspunkten. Unser Ziel ist es, Teil der Entwicklungswerkzeugkette bei OEMs, Tier1, B2B-Transportanbietern und Tech-Companies im AD/ADAS-Bereich zu sein.

Links: Rohdaten. Rechts: Annotierte Daten (Straßenmarkierungen).

Welche Erfolge gab es bei understand.ai schon zu verzeichnen?

Wir haben jetzt eine sehr klare Strategie und einen Umsetzungsplan innerhalb von understand.ai und auch im Kontext von dSPACE. Wir wachsen sehr stark und gewinnen immer mehr Kundenprojekte in unseren Zielsegmenten. Die Rückmeldung aus der Industrie von Kunden, Partnern und Analysten ist durch die Bank positiv und wir sehen, dass wir eine Lösung für ein Industrieproblem entwickeln, das bisher noch nicht gelöst wurde.

Vielen Dank für das Interview.

dSPACE MAGAZINE, PUBLISHED MAY 2022

 

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