Für die Entwicklung der nächsten Generation elektrischer Servolenkungen setzt die HELLA auf neue Teststrategien und -systeme. Parallel zu dem Lenksystem entwickelt HELLA zusammen mit dSPACE Consulting eine innovative Teststrategie, die höchste Sicherheitsanforderungen erfüllt und kompromisslos auf automatisierte Testabläufe setzt – dies erfordert Erfahrung und Expertise.

ELLA hat in den letzten Jahren verschiedene EPS (Electrical Power Steering)-Steuergeräte entwickelt, die millionenfach weltweit im Einsatz sind. Insbesondere die steigende Nachfrage nach Steuergeräten für das teilautomatisierte Fahren (ab Level 2 des autonomen Fahrens) war der Anlass, zusammen mit dem dSPACE Consulting eine automatisierte Absicherungswerkzeugkette einzurichten. Diese Toolkette musste dem Standard für funktionale Sicherheit von E/E-Systemen in Straßenfahrzeugen (ISO 26262) entsprechen und soll schon heute die Möglichkeit zur Entwicklung von Lenksystemen bieten, die für das hochautomatisierte Fahren bis Level 4 geeignet sind (Abbildung 1). Hierfür mussten der Testprozess und die Toolkette die ISO 26262 bis ASIL D erfüllen (Abbildung 2). Die ISO 26262 empfiehlt den Einsatz von Hardware-in-the-Loop (HIL)-Tests zum Testen von sicherheitskritischen Funktionen, Komponenten, einzelnen Steuergeräten und Steuergeräte-Verbunden, weil HIL-Tests seit Jahren Stand der Technik sind. Fast genauso lange setzt man sie zum Testen sicherheitskritischer Funktionen ein. Teststrategie und Testumgebung müssen nahtlos ineinander greifen und aufeinander abgestimmt sein, damit sicherheitskritische Systeme getestet und freigegeben werden können und die dafür notwendige Testabdeckung erreicht werden kann. Für den Nachweis, dass dieses Zusammenspiel standardkonform ist, ist es notwendig, regelmäßig zu überprüfen, dass alle am Test beteiligten Komponenten und Prozesse dafür geeignet sind. Dies reicht von Kalibrierstrategien für die eingesetzte Hardware bis hin zur Qualifizierung der Software-Toolkette nach ISO 26262. So kristallisierten sich schnell vier Themenbereiche heraus, bei denen dSPACE Experten HELLA unterstützen konnten:

  • Erstellung eines technischen Sicherheitskonzeptes
  • Konzeptionierung und Aufbau einer Testinfrastruktur bestehend aus mehreren HIL-Systemen
  • Entwicklung einer Werkzeugkette für automatisierte Tests
  • Einhaltung des Standards ISO 26262

Mit Hilfe von dSPACE ließen sich diese Aufgaben parallel zur Steuergeräte­entwicklung durchführen und die Testsysteme schon vor den eigent­lichen Tests in Betrieb nehmen und prüfen – inklusive der Anbindung an bereits vorhandene Konfigurations- und Anforderungsmanagement-Werkzeuge. “Dieses Vorgehen spart enorm viel Zeit, weil es Umwege und Sackgassen vermeidet. Das Ergebnis ist ein nachvollziehbarer, standardkonformer Pro­zess, der auch zukünftige, komplett neue Kundenprojekte, die ganz andere Anforderungen haben, erheblich erleichtert“, erklärt Andreas Brentrup von HELLA.

 

Abbildung 1: Autonomiestufen (Level) nach SAE J3016, herausgegeben von der SAE International.

… von Anfang an dabei
Abbildung 2: Typische Klassifikationen nach Automotive Safety Integrity Level (ASIL). ASIL ist eine Schlüsselkomponente des Standards ISO 26262. Der ASIL-Level wird jeweils zu Beginn eines Entwicklungsprozesses bestimmt. Dabei werden die Systemfunktionen analysiert und in Bezug zu möglichen Risiken gestellt.

… von Anfang an dabei

“Da die Berater von dSPACE schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingebunden waren, konnten bereits die Testziele zusammen mit HELLA erarbeitet werden”, ergänzt Biju Kollody von HELLA. Das EPS-Steuergerät befand sich zu Beginn des Projektes noch in der Vorentwicklungsphase. Das Testkonzept wurde kom­plett neu erstellt, was in diesem Fall detaillierte Kenntnisse sowohl im Bereich der funktionalen Sicherheit als auch für das Testen erfordert. Dazu wurden alle involvierten Personengruppen, seien es Tester, Entwickler, Systemarchitekten oder Testingenieure, mit einbezogen. Die gemeinsam erarbeitete Absicherungs­strategie erfüllt alle Anforderungen der funktionalen Sicherheit für EPS-Systeme und wurde mit dem Fokus auf einfache Testbarkeit ausgelegt (Abbildung 3). 

 

Simulatoren und Prüfstand – Fit-for-Purpose
Abbildung 3: Durch den definierten Workflow und die dokumentierten Handlungsanweisungen in dem Safety Manual ist die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse und die Qualifizierung der gesamten Toolkette zu jeder Zeit sichergestellt.

Simulatoren und Prüfstand – Fit-for-Purpose

Nicht nur bei den Vorarbeiten, sondern auch bei den konkreten Tests mit Simulatoren und Prüfständen setzt HELLA auf dSPACE. Die Test-Hardware besteht aus zwei Simulatoren: einem SCALEXIO Standard-Rack-System, das auf Signalebene auf ein speziell vorbereitetes Steuergerät zugreift, und einem SCALEXIO Full-Size-Simulator, der das Steuergerät auf Leistungsebene stimuliert. Dieser kann außerdem mit einem dSPACE Lenkungsprüfstand verbunden werden. Der Prüfstand kann als ein drittes Testverfahren den realen Motor des EPS-Steuergeräts stimulieren. Die FPGA-basierten Motormodelle von dSPACE erlauben sowohl eine realistische Motorsimulation für Tests auf Signal- und Leistungsebene als auch einen Closed-Loop-Betrieb des Steuer­geräts.
Durch diesen flexiblen Aufbau der Testinfrastruktur ist es möglich, verschiedene Systemkomponenten flexibel einzeln oder im Verbund zu testen. Dadurch ist der von der ISO 26262 geforderte Integrations- und Testprozess effizient umsetzbar. Die ISO 26262 fordert eine regelmäßige Kalibrierung der Testsysteme. Hierfür hat dSPACE ein projektspezifisches Kalibrierhandbuch verfasst.

Integration von bestehenden Tools

“Eine wichtige Anforderung zum Projektstart war, dass die Software-Toolkette in der Lage ist, „von DOORS zu DOORS“ zu arbeiten. Das heißt, dass eine Testspezifikation aus IBM Rational DOORS von der dSPACE Tool­kette geprüft und das Ergebnis wieder nach DOORS importiert werden kann”, berichtet Biju Kollody von HELLA. Dazu wurde die dSPACE Daten­management-Software SYNECT mit DOORS verbunden. Die Anbindung ermöglicht die automatisierte Überführung der Testspezifikation aus DOORS in die Testautomatisierungsumgebung von dSPACE. Dadurch können Testentwickler und Test­ingenieure die dort geforderten Tests implementieren und ausführen, ohne dabei zu irgendeinem Zeitpunkt die Rückverfolgbarkeit zu den Anforderungen zu verlieren. Dadurch ist eine Verlinkung von Anforderungen, Testspezifikationen und Test­ergebnissen jederzeit sichergestellt. Anschließend führt SYNECT die Tests automatisch rund um die Uhr auf den HIL-Simulatoren aus und stellt die Ergebnisse dar. Ein Steuergerät so hochautomatisiert zu testen, ist besonders effizient, erfordert aber Vertrauen in die Simulation und die eingesetzten Werkzeuge (Abbildung 4).

 

Funktionale Sicherheit

Die Sicherheitsstufe des EPS-Systems entspricht ASIL D (Automotive Safety Integrity Level D), der höchstmög­lichen Sicherheitsstufe für ein automotives E/E-System. Um die Anforderungen der ISO 26262 zu erfüllen, haben die Berater im dSPACE Consulting ein Safety Manual zusammengestellt, in dem Arbeitsabläufe für den Verifikationsprozess spezifiziert werden. Die Software und der definierte Workflow (Abbildung 3) wurden fit-for-purpose qualifiziert.

 

Abbildung 4: Vereinfachte Darstellung des HELLA-Workflows: „From DOORS to DOORS“: 
Die Testspezifikation wird aus DOORS (1) in den dSPACE Workflow importiert – so werden Spezifikationsänderungen sofort in SYNECT Requirements Management sichtbar (2). Mit SYNECT Testmanagement (3) werden die notwendigen Tests angelegt, geplant und dann mit Hilfe von AutomationDesk automatisch ausgeführt (4). Im letzten Schritt werden die Testergebnisse automatisch zurück nach DOORS übertragen (5).

Fazit und Ausblick

“Mit Hilfe der Berater von dSPACE konnte Hella schon früh die Herausforderungen, die ein sicherheitsrelevantes Projekt sowohl an Prozess, Toolkette und Testequipment stellt, meistern”, bestätigt Andreas Brentrup von HELLA. Die dSPACE Toolkette wurde erfolgreich eingesetzt, um Fehler schon in der Vorentwicklungsphase zu finden. Dass zu dem Zeitpunkt bereits ein automatisiertes Testsystem zur Verfügung stand, erleichterte den Übergang zur kundenspezifischen Entwicklung für HELLA erheblich. In Zukunft wird dSPACE HELLA bei den Anpassungen der Toolkette an die Anforderungen von Kundenprojekten unterstützen und dabei sicherstellen, dass die Arbeitsweisen weiterhin ISO-26262-konform sind. 

Mit freundlicher Genehmigung der HELLA GmbH & Co.KGaA

 

Über die Autoren

Andreas Brentrup

Andreas Brentrup

Leiter des Testlabors bei der HELLA GmbH & Co. KGaA, Lippstadt, Deutschland, ist verantwortlich für die globale Teststrategie der Lenkungssteuergeräte

Biju Kollody

Biju Kollody

Testmanager bei der HELLA GmbH & Co. KGaA, Lippstadt, Deutschland, ist verantwortlich für das gesamte Testmanagement der Lenkungssteuergeräte

dSPACE MAGAZIN, VERÖFFENTLICHT November 2020

Produktinformationen

  • SCALEXIO
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    Modulares Echtzeitsystem für RCP- und HIL-Anwendungen

  • Lenksysteme
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    Entwicklung und Test elektromechanischer Servolenkungen

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