Die Indy Autonomous Challenge (IAC) organisiert Rennen zwischen universitären Teams aus der ganzen Welt, die autonome Rennwagen programmieren, auf legendären Rennstrecken gegeneinander antreten und so die Kommerzialisierung selbstfahrender Autos vorantreiben. Wir sprachen mit Paul Mitchell, President und CEO der IAC, über das erste Rennen in 2022 und die Rolle des von dSPACE bereitgestellten Zentralrechners.

Die Indy Autonomous Challenge 2022 hat einen sehr erfolgreichen Start hingelegt. Was sind Ihre Eindrücke nach den Trainingseinheiten und dem ersten Rennen in Texas?

Im Vergleich zum Vorjahr haben wir die Rennwagen bei Hard- und Software deutlich verbessert. Die Autos sind robuster und können viel schnellere Startsequenzen ausführen. Die Sensorik ist besser als je zuvor – zum Beispiel sind sechs Navigationssensoren an Bord – das eröffnet mehr Möglichkeiten. Eine wesentliche Rolle spielt der Zentralrechner, das dSPACE AUTERA-System, das für mehr Kapazität und Geschwindigkeit sorgt, so dass die AI- Driver-Software der Teams zuverlässig ausgeführt werden kann. Das Ergebnis all dieser Verbesserungen war in den Trainings und den Rennen klar erkennbar: Die Rennwagen verhalten sich, als würden sie von menschlichen Fahrern gesteuert und führen in den Rennen sichere Überholmanöver aus. Das Rennen in Texas war eine echte Herausforderung. Wir hatten noch nie so schlechtes Wetter. Es regnete bei Temperaturen nahe am Gefrierpunkt. Deshalb konnten nicht alle Manöver mit maximaler Geschwindigkeit ausgeführt werden, aber wir haben bewiesen, dass die installierte Hardware und Software auch unter schwierigen Bedingungen funktioniert. Ein Beleg für die Leistungsfähigkeit der Sensoren und des Zentralrechners. Genauso wichtig war es zu sehen, wie die Teams ihre Algorithmen verbessern konnten: Zum ersten Mal verhielt sich ein Auto, das einem anderen Fahrzeug in einer sicherheitskritischen Situation zu nahekam, so als würde es von einem erfahrenen Rennfahrer gesteuert. Statt eines Sicherheitsstopps verlangsamte das Auto seine Fahrt und vermied so einen Unfall. In der Folge belegte das Team bei der Veranstaltung in Texas den ersten Platz.

Können Sie kurz erklären, wie Sie auf die Idee zur Indy Autonomous Challenge (IAC) gekommen sind und wie sich die Rennserie entwickelt hat?

Das Konzept wurde 2018 mit dem Ziel ins Leben gerufen, zwei Interessensgebiete miteinander zu verbinden: autonome Technologie und den Rennsport. Die IAC arbeitet daran, neben der Renntechnik in Indiana ein Leistungszentrum für autonome Technologien zu schaffen.

Wie wichtig sind Sponsoren für die IAC?

Wir könnten die IAC nicht ohne Industrieunternehmen betreiben. Unsere Sponsoren erweisen sich auch als Partner, die Basiskomponenten wie Hardware und Software sowohl im Auto als auch außerhalb des Autos beisteuern. Die Technologien wie Sensoren, drahtlose Komponenten, Computer usw. sind dieselben, die auch in der Fahrzeugindustrie eingesetzt werden. Damit wird die Indy Autonomous Challenge zum Prüfstand und Testgelände für Technologien, die künftig in der Industrie verwendet werden.

dSPACE ist derTechnologiepartner für den Zentralrechner der IAC. Wie wichtig ist der Bordcomputer in den Fahrzeugen und hat er sich in Texas bewährt?

Die dSPACE AUTERA Systeme haben die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge in entscheidender Weise verbessert: Zum einen ist AUTERA robust genug, um den rauen Bedingungen bei bis zu 300 km/h zu trotzen. Und nach den Renneinsätzen in Texas wissen wir, dass die Systeme sich auch bei eisigen Temperaturen bewähren. Außerdem haben die Systeme mehrere Unfälle überstanden, und auch nach schweren Unfällen noch funktioniert. Wir wussten vorher, dass wir einen langlebigen, robusten Zentralrechner brauchen würden – aber AUTERA hat unsere Erwartungen übertroffen. Außerdem bietet AUTERA die Flexibilität, Lidar-, Radar- und Kamerasensoren, drahtlose Kommunikation, Drive-by-Wire-Systeme, die sechs Navigations-sensoren und vieles mehr anzuschließen. In AUTERA läuft alles zusammen. Mit AUTERA waren die Teams in der Lage, ihre anspruchsvollsten Algorithmen auszuführen. Der Zentralrechner kommt der Leistung eines Supercomputers recht nahe – für den Einsatz im Auto sind Systeme wie diese schwer zu finden.

Welche technischen Herausforderungen müssen die Studierendenteams bewältigen?

Nun, zunächst einmal müssen sie einen Rennwagen auf der Ideallinie fahren – eine perfekte Lokalisierung und Trajektorienplanung machen hier den Unterschied. Wer gewinnen will, muss einerseits Unfälle vermeiden und andererseits aggressiv Fahren - die Teams müssen die richtige Balance finden. Ein weiterer Aspekt ist der sichere Betrieb. Wenn etwas schief geht, zum Beispiel ein Reifen platzt die GPS-Verbindung verloren geht oder sich eine Verkabelung lockert, muss es dafür Sicherheitsmechanismen geben. Wir sind stolz darauf, wie die Teams das meistern, denn es beweist, dass sicheres autonomes Fahren möglich ist.

Wie groß ist das Interesse der Industrie an der IAC? Und kann die Industrie von den Ergebnissen profitieren?

Die IAC hat großartige Partner aus der Industrie. Und weil wir eine gemeinnützige Organisation sind, können wir auf Partner zählen, die uns mit Technologie und technischem Support kostenlos unterstützen. Für die Industrie zahlt sich das gleich mehrfach aus. Zum einen gewinnen sie Erkenntnisse, die zur Verbesserung ihres Produkts beitragen. Zum anderen hat die Branche Zugriff auf die Talente. Diese Talente sind auf die eingesetzten Tools und Technologien trainiert und vertrauen ihnen. Das wiederum kommt der Industrie zugute. Marketing und Werbung sind natürlich auch wichtig, und all das macht auch noch sehr viel Spaß.

Da alle dieselbe Hardware-Plattform haben, ist die Software der Schlüssel zum Erfolg. Sehen Sie unterschiedliche Ansätze und einen starken Wettbewerb in den Studierendenteams, oder tauschen die Studierenden ihre Ideen untereinander aus?

Wir sehen beides: Zum einen sind die KI-Fahrer der einzelnen Teams unterschiedlich und haben einen individuellen Fahrstil, denn sie müssen besser sein, um zu gewinnen. Zum anderen setzen die Teams und alle Sponsoren auf Zusammenarbeit. Das bedeutet, dass sie einander bei der Problemlösung helfen – schließlich wollen alle, dass die gesamte Initiative vorankommt. In der Praxis konnten wir sehen, dass die Teams Daten und Lösungen austauschen. Wir hatten zum Beispiel mit GPS-Störungen zu kämpfen. Verschiedene Teams arbeiteten zusammen und tauschten Daten aus. Auf diese Weise konnten sie die Quelle der Störungen ermitteln. Und einige Teams befürworten den Open-Source-Ansatz und sind bereit, ihre Basissoftware auch anderen zur Verfügung zu stellen.

Bei den aktuellen Rennen treten zwei Autos gegeneinander an, es herrscht nicht allzu viel Verkehr auf der Strecke. Wann werden wir mehr als zwei Autos auf der Strecke sehen, oder am besten alle gleichzeitig?

Es gibt viele verschiedene Motorsportwettbewerbe. Denken Sie an Drag Racing – sogar mit einer Barriere zwischen den Autos. Mit der IAC versuchen wir zu demonstrieren, dass neue Technologie auch bei Hochgeschwindigkeitsbegegnungen funktionieren kann. Und wir tun das, damit die Fahrzeugindustrie von den Ergebnissen profitiert. Unser Ziel ist es nicht, der Formel 1 zu ähneln oder sie zu ersetzen. Mehr Autos auf der Rennstrecke bedeuten für die Industrie zunächst mal höhere Kosten durch höhere Risiken aufgrund von Kollisionsschäden. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um Autos im Wert von einer Million Dollar handelt. Wir werden sehen, wie wir die Serie im Sinne der Industrie weiterentwickeln. Im Moment gibt es viele verschiedene Rennformate, und unseres ist eines davon.

Werden die Autos tatsächlich jedes Jahr schneller und sicherer? Gibt es große Fortschritte?

Absolut. Sie verbessern sich in vielen Situationen und erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 300 km/h. Dabei nimmt auch die Sicherheit deutlich zu. Wir sehen, dass die Autos bei diesen Geschwindigkeiten immer besser funktionieren.

Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Gibt es Pläne, irgendwann elektrische Antriebe einzusetzen?

Dies würde ein neues Fahrzeugchassis erfordern. Dazu müssten wir die Teile und die Infrastruktur berücksichtigen. Wenn mehr Rennserien und -strecken auf elektrische Antriebe umgestellt werden, könnten wir diese Vorteile nutzen. Aber wir sind nicht in der Lage, Antriebsstränge und Infrastrukturen selbst zu entwickeln. Im Moment halten wir an der aktuellen Rennwagenplattform fest. 

Vielen Dank für das Gespräch.

dSPACE MAGAZINE, PUBLISHED JANUARY 2023

About the Interviewee:

Paul Mitchell

Paul Mitchell

Paul Mitchell, President und CEO, Indy Autonomous Challenge

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