Forscher aus dem wissenschaftlichen und dem privaten Bereich haben sich zusammengeschlossen, um eine Lösung für ein schnelleres und effizienteres Laden von Elektrofahrzeugen zu finden. Ihre umfangreiche Studie zeigt, dass eine Vehicle-to-Vehicle (V2V)-Ladelösung eine sinnvolle Alternative sein kann, die zu einer schnelleren und breiteren Kundenakzeptanz von Elektroautos führen könnte. Um die Umsetzbarkeit der V2V-Ladelösung zu verifizieren, führte das Team umfangreiche Tests durch, bei denen eine MicroLabBox von dSPACE zum Einsatz kam.

Wenn es um das Laden von Elektrofahrzeugen geht, herrscht in einem Punkt Einigkeit: je schneller, desto besser. Allerdings wird die Verbreitung schnellerer Ladeprozesse durch verschiedene Faktoren ausgebremst, darunter etwa die Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen, begrenzte Netzkapazitäten und unterschiedliche Ladegeschwindigkeiten. Forscher der University of Alabama, der Virginia Commonwealth University und der University of Akron haben sich zusammengetan, um sich gemeinsam dieser Herausforderung zu stellen. Dazu gehört auch eine Partnerschaft mit Andromeda Power, LLC, einem in Kalifornien ansässigen Unternehmen, das Ladegeräte für Elektrofahrzeuge herstellt.

Die Idee: Ein V2V-Ladeverbundnetz

Netzbasierte AC- und DC-Schnellladesysteme zählen heute zu den bekanntesten Ladelösungen für Elektroautos. Das Forscherteam schlägt jedoch eine Vehicle-to-Vehicle (V2V)-Ladelösung vor. Die Idee dahinter: Der Strom wird zwischen den Elektrofahrzeugen mit Hilfe eines bidirektionalen DC/DC-Wandlers übertragen, was effizienter ist als die herkömmliche AC/DC-Leistungswandlung. Laut Dr. Kisacikoglu, Dozent für Elektro- und Computertechnik an der University of Alabama und Initiator des Projekts, laden die meisten Besitzer ihre Elektrofahrzeuge über Nacht zuhause auf, verbrauchen im Laufe des Tages aber im Schnitt nur den Strom für eine Strecke von ca. 40-50 km. Die in der Batterie verbleibende ungenutzte Energie könnte anderen Elektroautobesitzern zum Kauf angeboten werden. Über ein V2V-Ladeverbundnetz könnten sich Fahrzeugbesitzer mit ungenutzter elektrischer Energie an Bord ihres Elektroautos theoretisch mit Besitzern verbinden, die eine Aufladung mit vergleichbaren Übertragungsraten wie bei Ladestationen benötigen. „Diese Lösung könnte nicht nur den Besitzern von Elektrofahrzeugen, sondern auch Städten, Gemeinden und dem Versorgungsnetz zugutekommen – insbesondere in Spitzenlastzeiten”, so Dr. Kisacikoglu. „Ein Ladeverbundnetz könnte eine bequemere und flexiblere Möglichkeit bieten, Ladevorgänge zu minimalen Infrastrukturkosten durchzuführen.“

Fallstudie anhand einer Prototyp-Stadt

Um die Realisierbarkeit eines V2V-Ladeverbundnetzes zu untersuchen und zu zeigen, welchen Einfluss ein solches System auf das Stromnetz haben könnte, entwickelte das Forscherteam eine virtuelle Umgebung. Mit einem Java-basierten Simulationswerkzeug erstellten sie eine maßgeschneiderte Simulationsumgebung mit verschiedenen Parametern, wie Art und Anzahl von Elektrofahrzeugen, Art und Standort von Ladestationen sowie Mobilitätsmustern der Fahrzeugbesitzer. Das Team legte eine Fallstudie mit dem Großraum Dallas als Prototyp-Stadt an. Simuliert wurden Arten und Anzahl der in Dallas fahrenden Elektro-autos sowie Anzahl und Standorte von Level 2 (L2)-Ladestationen. Als nächstes wurden die Ladestände der Fahrzeugbatterien und das Pendlerverhalten mit einbezogen, um Nutzungsmuster für die L2-Ladestationen erkennen zu können.

Einbindung von V2V-Ladegeräten

Während der Simulation wurde mit zunehmender Anzahl an Elektrofahrzeugen immer deutlicher, welche Auswirkungen ein steigender Strombedarf auf die Ladestationen hat. Um besser zu verstehen, wie das „Energy-Sharing“ zur Deckung des Energiebedarfs beitragen kann, wurde nun der Einsatz von V2V-Ladern in die Betrachtung mit einbezogen. Das Team stellte fest, dass mit einem V2V-Ladeverbundnetz in der jeweiligen Region eine größere Anzahl an Elektrofahrzeugen abgedeckt und einem steigenden Strombedarf begegnet werden kann, ohne dass dafür zusätzliche L2-Ladestationen installiert werden müssten. In ihrem speziellen Anwendungsfall wurde die Ladespitzenlast durch den Einsatz des V2V-Ladens effektiv um 44 % reduziert und somit die Belastung für das Stromnetz verringert.
 

Abbildung 1: Ein Nissan Leaf überträgt per Ladekabel Strom an einen Tesla Model S. Der Fahrer steuert den Ladevorgang über eine mobile App, die mit beiden Fahrzeugen kommuniziert.

Evaluieren verschiedener DC/DC-Wandler

Als klar war, dass ein Ladeverbundnetz tatsächlich einen beträchtlichen Nutzen für Gemeinden darstellen kann, nahm das Team im nächsten Schritt die Energieübertragung von einem Elektrofahrzeug auf das andere genauer unter die Lupe. Das Team untersuchte bei den bidirektionalen DC/DC-Wandlern drei verschiedene Ansätze: mit einphasiger, zweiphasiger und dreiphasiger Umwandlung. Für die Evaluierung der einzelnen Lösungen wurde ein passender Prüfstand konzipiert. Dieser bestand im Wesentlichen aus Emulatoren für das Versorger- und das Empfängerfahrzeug, einer V2V-Ladelösung, die auf drei verschiedenen Leistungsebenen arbeitet, und einer MicroLabBox von dSPACE, mit der der Ladevorgang koordiniert und gesteuert werden konnte. Die Untersuchung ergab, dass mehrphasige, bidirektionale DC/DC-Wandler für den V2V-Ladevorgang am besten geeignet sind, da sie im Vergleich zu ihrem einphasigen Gegenstück ein besseres Rippelstrom-Verhalten in Bezug auf die Induktivität zeigen.

 
Entwickeln und Testen intelligenter Ladetechnologien mit dSPACE Werkzeugen

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Die neue Smart Charging Solution ist hochgradig flexibel und bietet vielseitige Einsatzmöglichkeiten, darunter die Simulation von Ladesäulen und -systemen für Elektrofahrzeuge sowie die Simulation, der Test und die Entwicklung von Onboard-Ladern.

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Weitere Informationen über die Smart Charging Solution:
www.dspace.de/go/dMag_20202_DS5366

 

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Elektrofahrzeugen mit Hilfe von dSPACE Werkzeugen testen können: 
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Die Smart Charging Solution von dSPACE umfasst Hardware- und Software-Komponenten.

Testen mit einem Closed-Loop-Reglerentwurf

Als nächstes validierte das Team die Ergebnisse seiner Analyse. Das V2V-Ladegerät wurde auf einem Closed-Loop-Prüfstand mit einer dSPACE MicroLabBox ausgeführt. Im Rahmen der Hardware-Implementierung wurde ein Back-to-Back-Umrichtersystem mit der dSPACE MicroLabBox verbunden, um die verschiedenen Betriebsarten zu testen. Die MicroLabBox fungierte als Steuermodul für die Elektronik und führte alle High- und Low-Level-Controller aus. „Mit der MicroLabBox stand dem Team eine flexible Umgebung für die Reglerentwicklung zur Verfügung, die für den Closed-Loop-Reglerentwurf mit einer Schaltfrequenz von 20 kHz gut geeignet war“, so Dr. Kisacikoglu. Die Tests bestätigten schließlich, was das Team durch seine Untersuchungen bereits festgestellt hatte – mehrphasige, bidirektionale DC/DC-Wandler sollten die erste Wahl für das V2V-Laden sein.

Abbildung 3: Das Forscherteam testete für das V2V-Ladesystem drei verschiedene Lösungen mit bidirektionalen DC/DC-Wandlern:
mit einphasiger, zweiphasiger und dreiphasiger Umwandlung. Der Testaufbau bestand im Wesentlichen aus Emulatoren für das Versorger- und das Empfängerfahrzeug, einer V2V-Ladelösung, die auf drei verschiedenen Leistungsebenen arbeitet, und einer dSPACE MicroLabBox.

Zusammenfassung und Ausblick
Abbildung 2: Verteilung des Ladestrombedarfs aus dem Netz mit und ohne V2V-Laden.

Zusammenfassung und Ausblick

Durch ihre umfassenden Untersuchungen konnte das Forscherteam nachweisen, dass das V2V-Laden im Rahmen zukünftiger Mobilitätskonzepte eine wertvolle Ergänzung sein kann. Im nächsten Schritt möchte das Team den Forschungsumfang erweitern. Untersucht werden soll dann ein V2V-Ladegerät mit hoher Leistungsdichte, das den Platzbedarf der Lösung minimieren könnte. Zudem möchte das Team herausfinden, wie sich ein solches V2V-Ladegerät auf eine stärkere Netzintegration von Elektrofahrzeugen auswirken würde und inwieweit erneuerbare Energien verstärkt mit einbezogen werden können. 

Mit freundlicher Unterstützung der University of Alabama

 

Weitere Informationen zu dieser Studie finden Sie in der folgenden Publikation:

E. Y. Ucer, R. Buckreus, M. C. Kisacikoglu, E. Bulut, M. Guven, Y. Sozer, and L. Giubbolini, ”A flexible V2V charger as a new layer of
vehicle-grid integration framework,” vorgestellt auf der IEEE Transport. Electrific. Conf. (ITEC), Jun. 2019

Über den Autor:

Dr. Mithat Can Kisacikoglu

Dr. Mithat Can Kisacikoglu

Assistant Professor in Electrical and Computer Engineering, The University of Alabama (Tuscaloosa, AL)

dSPACE MAGAZIN, VERÖFFENTLICHT November 2020

Produktinformationen

  • MicroLabBox-Hardware
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    Kompakte Prototyping-Einheit für das Labor

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