Elektromobilität hat nicht nur auf der Straße viel Potential, sondern auch auf der Schiene. Um diesen Markt zu erschließen, nutzt die INTILION GmbH, innerhalb der Hoppecke-Gruppe ein Spezialist für Energiespeicherlösungen der Lithiumionentechnologie, eine breite Palette von dSPACE Equipment.

Beim Begriff Elektromobilität denkt man unwillkürlich zuerst an batteriebetriebene Elektroautos. Doch auch abseits der Straße existieren viele Einsatzmöglichkeiten, unter anderem bei Schienenfahrzeugen (Abbildung 1). Je nach Topologie des Antriebsstrangs wird hier die Batterie entweder als alleinige oder ergänzende Energiequelle verwendet. Beispiele sind hybride Antriebssysteme mit Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen oder Notfallsysteme wie bei Metros für die Fahrt zum nächsten Bahnhof bei Ausfall des Hauptantriebs.

Beispiel Rangierlokomotive: Arbeitsbereich optimieren

Eine herkömmliche Diesel-Rangierlok auf einem Güterbahnhof muss viele Male am Tag beschleunigen und abbremsen. Rüstet man sie aber auf einen Hybridantrieb um, bestehend aus klassischem Dieselgenerator und einem zusätzlichen Elektromotor mit Batterie, so ergeben sich immense Vorteile, denn im Teillastbetrieb arbeitet nur der Elektromotor mit Energie aus der Batterie, und im Volllastbetrieb unterstützt der Dieselmotor den Elektromotor. Auf diese Weise arbeitet der Dieselmotor in den Situationen, in denen er überhaupt arbeitet, stets in seinem optimalen Arbeitsbereich, was den Kraftstoffverbrauch, die Schadstoffemissionen und auch die Geräuschentwicklung erheblich reduziert.

 

Beispiel Streckenlokomotive: Oberleitungsfreie Strecken überbrücken

Ein weiteres Szenario, in dem ein zusätzlicher batterieelektrischer Antrieb große Vorteile bietet, ist eine Streckenlokomotive bzw. ein Triebwagen bei einer Überlandfahrt. Denn weil weltweit nur ein Teil des Streckennetzes elektrifiziert ist, können nicht überall klassische, oberleitungsgebundene Elektrolokomotiven fahren. Um die oberleitungsfreien Streckenabschnitte zu überbrücken, kann dann zwar wie heute üblich eine Diesellokomotive zum Einsatz kommen, die bessere Alternative ist aber eine oberleitungsgebundene Elektrolokomotive, die eine zusätzliche Batterie besitzt, um die oberleitungsfreien Streckenabschnitte zu überbrücken.

Abbildung 1: Rangierlokomotiven (1), Gleisbaufahrzeuge (2), Passagierzüge (3) und Metros (4) sind einige Beispiele, wo sich der Einsatz einer Batterie für Schienenfahrzeuge anbietet und viele Vorteile bringt, zum Beispiel einen geringeren Kraftstoffverbrauch sowie reduzierte Schadstoff- und Geräuschemissionen.

Tests der Batteriesysteme im Labor

Genau wie bei Straßenfahrzeugen besteht auch bei Schienenfahrzeugen die Batterie aus einem Verbund von oft mehr als tausend Batteriezellen, die von einem Batteriemanagementsystem überwacht und geregelt werden (Ladezustandserkennung, Tiefentladeschutz, Überladeschutz, Zell-Balancing, Temperaturkontrolle etc.). Um diese Batteriesysteme unter Alltagsbedingungen zu testen, sind Testfahrten von Lokomotiven auf dem normalen Schienennetz zeitgleich zum eng getakteten alltäglichen Bahnverkehr allerdings kaum machbar. Virtuelle Testfahrten im Labor sind daher der ideale Weg, um beliebige Alltagssituationen nachzubilden und so die Batteriesysteme umfassend zu testen. Hierbei nutzt INTILION ein System aus dSPACE Hardware und Software (Abbildung 2), mit dem realistische Batteriespannungen, Ströme und Signale generiert werden, die exakt denen einer realen Testfahrt entsprechen.

Abbildung 2: Ein SCALEXIO-Echtzeitsystem generiert Batteriespannungen, Ströme und Signale, die denen einer realen Testfahrt entsprechen. Hiermit wird das Batteriemanagementsystem getestet.

Testumgebung basierend auf dSPACE Hardware und Software

Das Testsystem wurde mit Hilfe eines dSPACE SCALEXIO Real-Time Systems und einer dSPACE Software-Toolkette realisiert. Die Inbetriebnahme ließ sich mit den dSPACE Automotive Simulation Models (ASM) erfolgreich durchführen. Aufgrund der offenen Modellstruktur der ASM-Bibliotheken konnten diese später leicht durch INTILION-eigene Modelle ergänzt werden. Das Batteriemodell wurde so aufgebaut, dass es die typischen Eigenschaften gängiger lithiumionenbasierter Zellen (NMC, LTO, LFP etc.) generieren kann. Die Konfiguration der Verbindungen vom Software-Modell zur Hardware erfolgt mit Hilfe von dSPACE ConfigurationDesk. Mit der Experimentiersoftware dSPACE ControlDesk lassen sich die Experimente und Testläufe überwachen und beliebige Daten mit Hilfe unterschiedlichster Instrumente visualisieren. Bei den Testläufen generiert das SCALEXIO-System sämtliche Spannungen und Ströme eines realen Batteriesystems und weitere für den Test des Batteriemanagementsystems notwendigen Signale, zum Beispiel die Buskommunikation zu anderen Steuergeräten. Die Reaktionen des angekoppelten Batteriemanagementsystems werden dann analysiert. Um die verschiedenen Tests automatisiert und zeitsparend durchzuführen, kommt die Automatisierungssoftware dSPACE AutomationDesk zum Einsatz. Zahlreiche Vorlagen aus einer Funktionsbibliothek erlauben es dabei, die automatischen Tests sehr komfortabel aufzusetzen.

dSPACE Testumgebung gemäß EN ISO/IEC 17025

Die Testabläufe mit der dSPACE Testumgebung erfüllen die für Bahnanwendungen relevanten Normen. Dazu gehören unter anderem:

  • EN ISO/IEC 17025 (Labormanagement)
  • EN 50155 (Elektronische Einrichtungen auf Bahnfahrzeugen)
  • EN 50126, EN 50128, EN 50129 (Funktionale Sicherheit)
  • DIN EN 50657 (Software auf Schienenfahrzeugen)
  • EN 50121-3-2 (Elektromagnetische Verträglichkeit)
  • EN ISO/IEC 27001 (IT-Sicherheit)

Hervorzuheben ist besonders die international wichtige Labormanagement-Norm EN ISO/IEC 17025, für die Labore akkreditiert sein müssen, um als technisch kompetent zu gelten. Für viele Firmen und Aufsichtsbehörden ist die Erfüllung dieser Norm eine Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit mit Laboren.

Cloudbasierte Überwachung aller Batterien

Während des alltäglichen Bahnverkehrs können die Batteriesysteme der Lokomotiven ständig verschiedene Betriebsdaten via 4G an die Hoppecke Connected Cloud übermitteln (Abbildung 3). Zu diesen Daten gehören u. a. der Ladezustand, die Betriebstemperatur, die Anzahl der Vollzyklen und der Gesamtenergiedurchsatz. Diese globale Überwachung der Batteriesysteme ermöglicht frühe Fehlerdiagnosen und eine vorausschauende Wartung der Lokomotiven, wodurch sich deren Ausfallzeiten minimieren lassen. Zusätzlich können die gesammelten Daten auch in die Weiterentwicklung der Steuerungsalgorithmen der Batteriesysteme einfließen, was dann unter anderem auch die Batterielebensdauer erhöhen kann.

Abbildung 3: (a) Die Lokomotiven im Alltagseinsatz können via 4G ständig eine Vielzahl von Batteriebetriebsparametern in die Hoppecke Connected Cloud senden. (b) Die Entwicklungsabteilung nutzt die empfangenen Daten für die Weiterentwicklung der Steuerungsalgorithmen der Batteriesysteme. Zukünftig sollen angepasste Parameter auch direkt an die Lokomotiven zurückübermittelt werden (gestrichelter Pfeil).

Zweiter dSPACE Prüfstand geordert

Dank der dSPACE Entwicklungsumgebung lassen sich alle Tests umfassend, schnell und automatisch absolvieren, und das gemäß der für Bahnanwendungen geltenden Normen und Standards. Insgesamt bietet der Prüfstand auf Basis des dSPACE SCALEXIO-Echtzeitsystems eine so gute Unterstützung bei den Tests, dass INTILION auch das INTILION-Entwicklungszentrum in Shanghai mit einem Prüfstand ausgestattet hat. Dies alles ermöglicht einen globalen Austausch von Know-how (Testblöcke, Python-Skripte etc.) zwischen den INTILION-Niederlassungen, was die Aufwände noch einmal erheblich reduziert hat.

dSPACE MAGAZINE, PUBLISHED JANUARY 2023

Über den Autor:

Jan Hergesell

Jan Hergesell

Prüfingenieur bei INTILION, Deutschland

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