Ein wichtiger Erfolgsfaktor der elektrischen Mobilität ist das schnelle und sichere Laden der Batterie. Das Lösungsangebot von dSPACE hilft, Fahrzeuge und Ladesäulen dafür optimal auszulegen.
Die Erwartungen an ein Elektroauto des 21. Jahrhunderts sind groß – soll es doch die gleichen Annehmlichkeiten bieten wie ein Verbrenner, oder diese nach Möglichkeit sogar übertreffen. Dabei ist für den Fahrer eines E-Autos neben dem Fahrerlebnis das komfortable Laden der Hochvoltbatterie von entscheidender Bedeutung. Die Bereitstellung der dafür erforderlichen Energie ist allerdings vielerorts aufgrund fehlender Ladeinfrastrukturen noch limitiert.
Laden vs. Tanken: Ein sportlicher Wettbewerb
Vergleicht man das Tanken mit Benzin und das elektrische Laden eines Pkw miteinander, lohnt es sich, den Energiefluss genauer zu betrachten: An einer typischen Pkw-Zapfsäule ist mit einer Fördermenge von 35 l/min zu rechnen. Das entspricht aufgrund der hohen Energiedichte von Benzin einer Anschlussleistung von ca. 20 MW. Selbst bei einem relativ schlechten Wirkungsgrad eines Benzinmotors, der in der Regel unter 30 % liegt,
ergibt sich immer noch eine vergleichbare Ladeleistung von 6.000 kW.
Somit darf es nicht verwundern, dass das Laden eines E-Fahrzeuges selbst mittels Schnellladesäule (Ladeleistung z. B. 150 kW) gut 40-mal länger dauert. Konkret: Kommt man bei Benzin auf Werte um die 13 Sekunden pro 100 km, so sind es bei besagter 150 kW Ladesäule bereits ca. 8 Minuten.
Tanken: ca. 13 Sekunden pro 100 km
Laden: ca. 8 Minuten pro 100 km
Wechselstrom und Gleichstrom im Angebot
Da ein Zugriff auf das Wechselstrom (AC)-Netz sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich einfach möglich ist, sind Elektrofahrzeuge standardmäßig immer mit einem AC-Ladeanschluss ausgestattet. Fahrzeugbatterien benötigen allerdings eine auf den Ladezustand abgestimmte Gleichspannung (DC), weshalb es eines entsprechenden Umrichters bedarf. Um sicherzustellen, dass der Umrichter optimal auf die Batterie im Fahrzeug ausgelegt ist, werden diese Umrichter direkt in das Fahrzeug eingebaut. Daraus leitet sich der Name „Onboard Charger“ (OBC) ab. In Deutschland sind Haussteckdosen in der Regel mit 16 A abgesichert. Durch die Netzspannung von 230 V ergibt sich eine maximale Dauerleistung von weniger als 4 kW. Einige Haushalte verfügen über sogenannte Drehstromsteckdosen, die aber meist auch nur mit 16 A abgesichert werden. Hier beträgt die Dauerleistung dann 11 kW. Auf diesen Wert werden die meisten OBCs heute begrenzt, da größere OBCs ohnehin zu viel Bauraum im Fahrzeug in Anspruch nehmen, mehr Abwärme erzeugen und das Fahrzeuggewicht unnötig erhöhen würden. Die meisten Wallboxen für den privaten Haushalt sind deshalb auf diese 11 kW ausgelegt. Spezielle Ladesäulen, wie sie beispielsweise in Ladeparks an Autobahnen zu finden sind, arbeiten direkt mit Gleichspannung. Da die Umrichtung von AC auf DC hier außerhalb des Fahrzeugs erfolgt, können sie deutlich höhere Ladeleistungen von bis zu 350 kW zur Verfügung stellen.
Die Spannung steigt
Aus der Physik wissen wir: Die elek-trische Leistung ist das Produkt von Spannung und Strom (P = U * I). Spannungsseitig liegen die meisten E-Fahrzeuge zurzeit im Bereich von 400 V. Der klassische CCS (Combined Charging Standard)-Stecker ist für einen Maximalstrom von 200 A ausgelegt, womit sich eine maximale Leistung von 80 kW ergibt. Für eine Leistung von 150 kW werden bereits wassergekühlte Kabel und Stecker benötigt, da sich diese durch die hohen Ströme zu stark erhitzen würden. Verdoppelt man die Spannung auf 800 V, steht die hohe Leistung auch mit Standard-Steckern und -Kabeln zur Verfügung. Um mit der Ladeleistung fossiler Energieträger gleichzuziehen, ist der Eintritt in den Megawatt-Bereich erforderlich. Geeignete Steckersysteme werden bereits erprobt. Voraussichtlich wird dieser Leistungsbereich zunächst dem Transportsektor zur Verfügung stehen.
Kommunikation gewährleistet Sicherheit
An der Ladesäule kommen die Hochleistungskomponenten aus Fahrzeug und Ladeinfrastruktur miteinander in Kontakt. Dies muss unter optimal abgestimmten Konditionen erfolgen, um einen sicheren Ladevorgang zu gewährleisten. Aufgrund unterschiedlicher internationaler Standards und anbieterspezifischer Systeme müssen Fahrzeug und Ladesäule die optimalen Konditionen selbst aushandeln und überwachen. Dazu ist eine bidirektionale Kommunikation erforderlich, die über spezielle Leitungen und Steckverbindungen im Ladestecker läuft. Diese ist für das DC-Laden zwingend erforderlich und wird auch für das AC-Laden immer wichtiger. Mit Blick auf das AC-Laden gilt dies insbesondere bei der Anbindung an Smart-Home-Systeme und bei der Versorgung potenzieller Verbraucher innerhalb eines Haushalts. Zusätzlich wird bei weiterer Zunahme des Anteils an Elektrofahrzeugen ein Austausch mit dem Netzanbieter notwendig sein, damit ein stabiles Stromnetz sichergestellt wird.
Internationale Ladestandards
Weltweit existieren derzeit drei unterschiedliche Kommunikationsstandards (CHAdeMO, GB/T, CCS), die sich in verschiedenen Regionen entwickelt haben: einer für die USA und Europa und jeweils einer für China und Japan. Wird für die jeweiligen Märkte entwickelt, müssen Fahrzeughersteller die jeweiligen Standards berücksichtigen und testen.
Kommunikationsverfahren
Im asiatischen Raum hat man auf ein bekanntes und im automotiven Umfeld sehr gut erprobtes Medium gesetzt: die CAN-Kommunikation. Der CAN-Bus ist im Fahrzeug seit Jahrzehnten etabliert. In China wird zusätzlich das im Nutzfahrzeugbereich bekannte Protokoll SAE J1939 eingesetzt, womit sich auch größere Datenpakete über CAN übertragen lassen. Die USA und Europa treiben den Combined Charging Standard (CCS) voran und haben dafür eine zweischichtige Kommunikationsform gewählt:
- Basiskommunikation per Pulsweitenmodulation (PWM) basierend auf dem Tastverhältnis und dem Spannungslevel mit einer Frequenz von 1 kHz
- High-Level-Kommunikation in Form einer auf das PWM-Signal aufmodulierten Powerline Communication (PLC) basierend auf der Spezifikation HomePlug Green PHY (Physical Layer), entstanden aus einer Allianz der Versorgungsindustrie und den Automobilherstellern. Dadurch kann über einen Data-Link zwischen Fahrzeug und Ladesäule eine TCP/IP-Kommunikation stattfinden.
Herausforderungen beim CCS-Laden
Da die Kommunikationsleitungen im gleichen Kabel wie die Leistungsversorgung untergebracht sind und Gleichspannung nicht immer völlig gleichförmig ist, spielt die Störfestigkeit der Kommunikation eine entscheidende Rolle. Daher werden hohe Anforderungen an die Signalgüte der PLC gestellt. Gerade diese PLC bedeutet sowohl für Fahrzeughersteller als auch für Ladesäulenentwickler neue Herausforderungen an Hardware und Software. Dabei gibt es natürlich Standards, die recht klar vorgeben, welche Eckwerte einzuhalten sind – die Möglichkeiten, die Implementierung auf Fahrzeug- und Ladesäulenseite inkompatibel zu gestalten, sind aber leider groß. Diese lassen sich in elektrische und protokollbezogene Fehler unter-teilen und umfassen die folgenden relevanten Aspekte:
- n Elektrisch: Spannungslevel, Frequenzen, Anstiegsgeschwindigkeiten, Dämpfungen, Abschlusswiderstände und die elektromagnetische Verträglichkeit
- Protokoll: Reaktionsgeschwindigkeit auf Botschaften, Codierung der Daten im Botschaftstelegramm, Parametrierung, Verwendung optionaler Parameter, Protokollversionen usw.
Laden nur bei Kompatibilität
Da beim Laden von E-Fahrzeugen eine Abstimmung zwischen Ladeinfrastruktur und Fahrzeug stattfindet, die die Randbedingungen auf beiden Seiten berücksichtigt, spricht man hier vom Smart Charging. Die Folge von Inkompatibilität ist in der Regel, dass das Fahrzeug nicht geladen werden kann. Das ist natürlich sehr frustrierend für den Fahrer des Elektrofahrzeugs und sollte auf jeden Fall vermieden werden.
Smart Charging – Das Lösungsangebot von dSPACE
Für die Entwicklung und den Test von Regelungsanwendungen werden weltweit sowohl bei Zulieferern als auch bei Fahrzeugherstellern bereits dSPACE Systeme eingesetzt. Diese dienen häufig schon als Basis für Entwicklungs- und Testaufgaben im Bereich der Elektromobilität. Mit der Erweiterung um die Smart Charging Solution lassen sich die wesentlichen Aspekte des Ladevorgangs vollständig darstellen. Die Lösung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- Einfache Integrierbarkeit in bestehende Testumgebungen
- Vollumfängliche Testmöglichkeiten aller relevanten Standards auf Kommunikations- und Leistungsebene
- Einfache Automatisierbarkeit und Parametrierung des Systems
- Hohe Transparenz der Abläufe und Testbibliotheksangebote (White-Box Testing)
Smart Charging Solution
Dank ihrer hohen Flexibilität bietet die Smart Charging Solution vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, die sowohl die Simulation von Ladestationen als auch die Simulation, den Test und die Entwicklung von Onboard-Ladegeräten umfassen. Damit unterstützt sie sowohl Hersteller von Elektrofahrzeugen als auch Hersteller von Ladestationen bei der Entwicklung und Erprobung intelligenter Ladetechnologien. Sie bietet die vollständige Manipulierbarkeit aller Timings, Nachrichteninhalte und Dämpfungseigenschaften der Übertragung. Werden die Kommunikationstests um den Energiefluss erweitert, kommt die Manipulation von Spannung und Strom hinzu.
Sie suchen eine frei konfigurierbare Ladesäule für das Labor?
Die Lösung: Der Smart Charging Station Emulator von dSPACE.
Smart Charging Station Emulator
Eine besondere Ausbaustufe des Lösungsangebots ist ein System, das das elektrische und kommunikative Verhalten einer Ladesäule emuliert. Damit lässt sich im Labor eine frei konfigurierbare Ladesäule darstellen. Sie beherrscht alle internationalen Standards und kann flexibel für Spannungen von bis zu 1000 V ausgelegt werden. Dazu kann der Smart Charging Station Emulator je nach Anforderung mit mehreren DC-Netzteilen ausgestattet werden und so eine Ladeleistung von 85 kW sowohl auf 400-V- als auch auf 800-V-Level ermöglichen. In Kundenprojekten lässt sich der Aufbau beliebig um weitere Netzteile erweitern, um noch höhere Leistungen zu erzielen. Für das Testen des AC-Ladevorgangs bietet das dSPACE Echtzeitsystem diverse Schnittstellen zur Ansteuerung eines Grid Emulators, wodurch zum Beispiel die unterschiedlichen Netzformen der Zielmärkte oder Störungen auf den Phasen simuliert werden können.
Standardisierte Testbibliotheken
Auch die Standardisierungsgremien haben sich Gedanken gemacht, wie eine Interoperabilität zwischen Ladesäule und Fahrzeug sichergestellt werden kann. Hierzu wurden Testbibliotheken mit Hunderten von Tests entwickelt. Diese stellen eine gute Grundlage dar, reichen in der Regel aber noch nicht aus, um alle Eventualitäten zu betrachten. Hier sticht das dSPACE Angebot mit seiner offenen Testimplementierung aus dem Markt heraus. Alle Tests sind als nachvollziehbares Ablaufskript implementiert, so dass eine tiefere Ergebnisinterpretierung ermöglicht wird. Die Verfügbarkeit der ersten Conformance-Tests ist für Sommer 2021 geplant. Die Implementierung dieser Testbibliotheken wird durch den Engineering-Dienstleister KPIT durchgeführt. KPIT stellt Kunden seine umfangreiche Erfahrung auch für die Testausführung zur Verfügung.
Automatisiertes Bezahlen
Ein weiteres Kapitel im Bereich des elektrischen Ladens wird derzeit mit dem automatischen Bezahlen aufgeschlagen. Ähnlich wie beim Bezahlen mit Kreditkarte werden dafür Verschlüsselungen und Zertifikate eingesetzt, deren korrekter Austausch verifiziert werden muss. Hier arbeitet dSPACE mit einem Back-end-Provider zusammen, um eine durchgängige Validierungskette zu gewährleisten und in Kürze auf den Markt zu bringen. Das Ziel dabei ist, sowohl Komponenten- und Integrationstests als auch Fahrzeugabnahmen zu unterstützen.
Frontloading per Software Simulation
Natürlich können auch Ladetechnologien von einer frühzeitigen Validierung durch Software-in-the-Loop (SIL)-Tests profitieren. Werkzeuge von dSPACE werden hier schon seit Jahren eingesetzt, um virtuelle Steuergeräte zu testen, die oft nach dem AUTOSAR-Standard entwickelt wurden. Diese Testmöglichkeit wird aktuell ebenfalls für den Bereich Smart Charging erprobt, um die Kommunikation und Interaktion mit anderen Software-Komponenten bereits in einer frühen Phase der Entwicklung intensiv validieren zu können. So werden Interoperabilitätstests bereits ohne die vorhandene Hardware des Electric Vehicle Communication Controllers (EVCC) möglich. Dies ist besonders vorteilhaft, denn je früher ein Fehler gefunden wird, umso günstiger ist es, ihn zu beheben.
dSPACE MAGAZIN, VERÖFFENTLICHT MAI 2021