Eine Idee feiert Jubiläum

Zwanzig Jahre kontinuierliche Erfolge

Veröffentlicht: dSPACE Magazin 1/2008, Juli 2008

Im Gespräch mit Dr. Herbert Hanselmann: Zum 20-jährigen Firmenjubiläum berichtet der Firmengründer und Geschäftsführer von dSPACE, wie aus einer Idee ein weltweit erfolgreich agierendes Unternehmen wurde.

 

Herr Dr. Hanselmann, bevor wir über die Anfänge von dSPACE reden, erzählen Sie uns bitte, wie es zu Ihrem Interesse für die Regelungstechnik kam.

Im Alter von 16 Jahren las ich einen Artikel über Kybernetik. Ich verstand zwar nicht alles, aber der Artikel faszinierte mich. Mein Interesse für dieses Thema war geweckt. Bei der Wahl des Studiums entschied ich mich für die Elektrotechnik, das führte mich dann fast zwangsläufig zur Vertiefungsrichtung Regelungstechnik. Dazu passte auch eine Nebenbeschäftigung, bei der ich Steuerungen für die Werkzeugmaschinen einer kleinen Firma aus der Nachbarschaft entwickelte. Welche Ereignisse bewogen Sie, die Firma dSPACE zu gründen? Während ich noch am Abschluss meiner Dissertation an der Universität Karlsruhe arbeitete, sprach mich ein profilierter Forscher von Mercedes- Benz an, Joachim Lückel. Er hatte eine Professur an der Universität Paderborn bekommen und es galt, ein völlig neues und auch neuartiges Institut aufzubauen. Eigentlich hatte ich vor, in die Industrie zu gehen, aber dieses Projekt war zu interessant, um Nein zu sagen. Es ging hauptsächlich darum, die damals so genannte „moderne Regelungstechnik“ bei relativ schnellen mechanischen Systemen in die Praxis um zu setzen. Es ging also um Mechatronik. Zur erfolgreichen Umsetzung fehlte nur noch eine Kleinigkeit: Wir hatten keine Computer, die schnell genug waren, um die Regelfunktionen höherer Ordnung in Echtzeit zu rechnen. 1981 baute ich dann, teilweise zu Hause wie ein Hobbyist, einen Intel-Bausatz für einen ziemlich exotischen Analog-Digital-Signalprozessor zusammen. Die optimale Microcode- Programmierung war für Anwender im Maschinenbau unzumutbar. Sie wurde schnell durch einen automatischen Code-Generator und ein paar begleitende Tools ersetzt. Dieser Prozessor bestand eine erste Bewährungsprobe in einem elektronisch spurgeführten Bus bei Mercedes- Benz. Nach vielen Weiterentwicklungen und Anwendungserfolgen kam dann die Idee, so etwas für einen weltweiten Einsatz kommerziell rauszubringen. Mit drei Kollegen, die alle schon in unterschiedlicher Funktion mit diesem Projekt an der Universität zu tun hatten, wurde Ende 1987 formal die dSPACE GmbH gegründet und am 2. Januar 1988 ging es mit dem Plan einer fast kompletten Neuentwicklung eines Toolsets an die Arbeit.

 

Welche Hürden mussten für die Firmengründung genommen werden?

Know-how war da, aber die Produkte, die wir herausbringen wollten, mussten überhaupt erst einmal entwickelt werden. Für das erste Toolset war 1 Jahr Entwicklungszeit veranschlagt, in der wir nicht mit Umsatz rechnen konnten. Glücklicherweise gab es für so etwas Kredit- und Fördermittel. Um die zu bekommen, brauchten wir mehr als sprühende Ideen. Wir mussten überzeugen, dass an unserer Sache etwas dran ist. So haben wir u. a. auch Statements zu unseren Erfolgsaussichten von Leuten eingeholt, die vom Fach waren und neutral erschienen. Das Gutachten von Professor Leonhard aus Braunschweig, einem weltweit bekannten Antriebsspezialisten, war positiv kritisch. In seinem Fazit schrieb er sinngemäß: „Wenn sie sich nicht verzetteln, könnte es klappen.“

 

Mit welchen Produkten und für welche Anwendungen hat alles begonnen?

Die Hardware bestand aus Einsteckkarten mit einem Signalprozessor von Texas Instruments – damals noch mit Festkommarechnung – und einigen I/O-Karten speziell für die Regelungstechnik. Die Software war ein Toolset zur Aufbereitung von Zustandsreglern, deren Simulation und die Code-Generierung in DSPL, einer Sprache, die wir selbst definiert hatten und für die wir selbst den Compiler schrieben. Wir legten immer Wert auf optimalen Maschinencode, da war „C“ keine Option.

 

Wer zählte zu den ersten Kunden?

Da fällt mir Philips ein. Die hatten im Manufacturing Technology Center eine Menge ungelöster Regelungsaufgaben, u. a. für Wafer-Stepper mit Positionsgenauigkeiten im Nano meterbereich. Ein besonders über raschender Kunde war Hilti aus Liechtenstein, weltbekannt als Hersteller von hochwertigen Bohrhämmern. Auch sie machten dabei erstaunlich viel Mechatronik. Generell waren unsere ersten Kunden Ingenieure, denen die Mittel zur zügigen Realisierung schneller Regler fehlten, so wie es bei uns einige Jahre früher ja auch war.

 

Was ist für Sie das interessanteste Projekt, in dem die Tools von dSPACE damals zum Einsatz kamen?

Schwierige Frage, da gab es so viele, auch reichlich exotische. Etwa die Regelung von hydraulisch bewegten Massen auf dem Dach von Wolkenkratzern in Japan als Erdbebendämpfer. Walt Disney brauchte unser Equipment für die Regelung in irgend einer Fun-Park-Anwendung. Und eine japanische Firma experimentierte mit Active Noise Canceling in Fenstern für den Wohnungsbau. Verständlich, wenn wie in Tokio die Autobahnen wenige Meter vor Wohnzimmerfenstern verlaufen.

 

Was war Ihre größte Herausforderung?

In der Anfangszeit war es das Durchhalten, als im zweiten Jahr der Verkauf langsamer anlief, als es im Business-Plan stand. Die Kosten verliefen planmäßig, der Umsatz nicht. Das ist nicht ungewöhnlich, Kosten lassen sich nun mal am besten planen. Bis aber ein ganz neuartiges Toolset für sehr spezielle Anwendungen in der nötigen Stückzahl abgesetzt werden kann, braucht es Zeit. Das wird immer wieder unterschätzt. Die größte Herausforderung der letzten Jahre stellte sich, als wir holterdiepolter eine sofort funktionierende japanische Tochtergesellschaft hochziehen mussten. Ungeplant und aus Gründen, die nicht in unserem Verantwortungsbereich lagen.

 

Was war Ihr bedeutendster Erfolg?

The MathWorks zu überzeugen, dass wir kooperieren sollten, um dem damals entstehenden Simulink eine Echtzeiterweiterung zu geben. Wir waren da gerade mal so um die sechs Leute bei dSPACE. The MathWorks war bereits zehnmal so groß und sie waren so eine Kooperation noch nie zuvor eingegangen. Für beide Firmen war das Projekt schließlich ein ganz wichtiger Schlüssel zum Erfolg.

 

Welche Ereignisse und Entwicklungen machten Ihnen besonders Freude?

Das Schönste ist, dass wir nun schon so lange organisch wachsen und bei unseren Kernkompetenzen bleiben konnten. Das Umfeld hat sich immer wieder geändert. Wettbewerber tauchten auf und glücklicherweise manchmal auch wieder ab. Schwerpunkte haben sich verlagert, neue, aber naheliegende Felder kamen hinzu. Ich hörte es auch schon von Kunden, es ist die Konstanz, die auch schon mal bewundert wird.

 

dSPACE hat eine starke Position in der Automobilindustrie. Wo wäre diese Industrie ohne Produkte wie die von dSPACE?

Das weiß keiner. Mit Sicherheit hätte die Elektronik auch ohne uns Einzug gehalten, aber wahrscheinlich langsamer. Ich sage manchmal, mit unseren Werkzeugen konnten unsere Kunden in den 90er Jahren so viele neue Funktionen für das Auto entwickeln, dass sie hinterher Hardware-in-the-Loop-Testsysteme brauchten, um die ausufernden Neuentwicklungen qualitätsmäßig wieder einzufangen. Sieht aus wie eine kluge Strategie von dSPACE, aber ehrlich, es war keine, es hat sich halt so ergeben.

 

Was werden die wichtigsten Innovationen der Automobilindustrie in den nächsten zehn Jahren und wie wird dSPACE dabei involviert sein?

Ich möchte mich nur auf die Entwicklungsprozesse beziehen. Für die Innovationen im Fahrzeug gibt es Berufenere als mich. Bei den Entwicklungsprozessen und Werkzeugen zeigt sich immer wieder, dass Fortschritte an einer Stelle neue Herausforderungen an anderer Stelle erzeugen. Rapid Control Prototyping verlangte schließlich die automatische Seriencode-Generierung. Jetzt, wo das „im Kasten“ ist, hat man unzählige Softwaremodule und die Komplexität ist überwältigend. Neue Werkzeuge entstehen und müssen das auch. Wir leisten beispielsweise mit SystemDesk einen Beitrag, die Sache in den Griff zu bekommen. Man muss mehr Abstimmung und Absicherung nach vorne verlagern. Das erscheint heute alles noch wie ein Fass ohne Boden. Und wenn ich mir die Zeitkonstanten ansehe, mit denen Technologien wie Rapid Control Prototyping, Autocode und HIL sich verbreitet haben, dann reden wir im Schnitt über zehn Jahre, bis sich auch nur eine wesentliche Prozesstechnologie etabliert und wirklich durchgesetzt hat. Es geht uns definitiv noch lange nicht der Stoff aus.

 

Als Gründer des Unternehmens haben Sie eine ganz besondere Beziehung zu dSPACE. Welche Rolle spielt dSPACE in Ihrem Leben?

Natürlich die Hauptrolle, neben der Familie. Ein Unternehmen, das sich wie dSPACE permanent im Aufbau befindet, braucht vollen Einsatz. Wenn der dann auch zum Erfolg führt, wie es bei uns glücklicherweise der Fall ist, dann ist das sehr befriedigend.

 

Stichwort Personalwesen: Worauf kommt es Ihnen bei der Einstellung Ihrer Mitarbeiter besonders an?

Ganz besonders auf den Spirit. Gute Arbeit gibt es nur, wenn sie einem auch Spaß macht, und das tut sie, wenn die Aufgaben herausfordernd sind, aber lösbar. Ein Ingenieur, der nicht den Ehrgeiz hat, beste Arbeit abzuliefern, auf die er stolz sein kann, der ist nicht wirklich einer. Es kommt auf die intrinsische Motivation an, und ich kann sagen, davon haben die dSPACE-Mitarbeiter richtig viel.

 

Gibt es denn auch Entwicklungen oder Umstände, mit denen Sie nicht zufrieden sind?

Das ist hier ja kein politisches Magazin, da fällt einiges weg. Unzufrieden bin ich auf jeden Fall mit dem Mangel an geeigneten Bewerbern für die zahllosen Stellen, die wir laufend ausgeschrieben haben. Bisher haben wir viel Kraft in die Rekrutierung investiert und werden das auch weiterhin tun. Aber wenn es kaum noch etwas zu rekrutieren gibt, reicht das nicht. Wie viele andere Unternehmen auch müssen wir selbst etwas tun, damit mehr junge Leute auf den Pfad der Tugend kommen und die richtigen Fächer studieren. Dazu haben wir unsere ProMINT Initiative aufgesetzt, mit Stipendien, Informationsaktivitäten und Schulpartnerschaften

 

Um noch einmal auf die Aussage aus dem Gutachten zurückzukommen: Hat sich dSPACE in den 20 Jahren tatsächlich nie verzettelt oder wie würden Sie den Erfolg des Unternehmens beschreiben?

Ja, wir sind sozusagen dem Rat von Professor Leonhard gefolgt. Im Grunde machen wir immer noch das Gleiche. Wir verbinden Regelungstechnik, Software, Elektronik. Statt Einzelanfertigungen machen wir Produkte, die vielen nützen, sodass sich die hohen Entwicklungsaufwände auch rentieren. Wir haben uns nicht mit Zukäufen oder Randaktivitäten verzettelt und wir haben peu à peu unser Leistungsangebot erweitert, ohne den Kern zu verlassen.

 

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Unternehmens?

Solange es genug zu tun gibt, wird das eine ganz einfache Extrapolation, ziemlich linear. Die Aufgaben wachsen, also wachsen auch wir. Neue Themen kommen dazu, wir bringen Lösungen. Das kann noch sehr lange so weitergehen.

 

Werden Sie in 20 Jahren noch an Bord sein?

Ja, an Bord von irgendetwas, das auf dem Mittelmeer schwimmt.

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